Jahresrückblick 2025
Vorwort
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Selbsthilfebewegung chronisch kranker und behinderter Menschen und ihrer Angehörigen gehört zu den tragenden Säulen des bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft. Der Austausch mit Gleichbetroffenen, die gegenseitige Unterstützung und Begleitung sind der Kern der Selbsthilfe und die Grundlage zur Stärkung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen im Umgang mit den damit einhergehenden Beeinträchtigungen.
Kennzeichnend für die Selbsthilfe in Deutschland ist jedoch, dass sich örtliche Selbsthilfegruppen in nahezu allen Indikationsbereichen zu bundesweit tätigen Selbsthilfeorganisationen zusammengeschlossen haben. Erst dieser verbandliche Zusammenschluss macht es möglich, die Erfahrungen Einzelner strukturiert zusammenzutragen und Beratungs- und Unterstützungsangebote aller Art zu planen und umzusetzen.
Die verbandliche Selbsthilfe ist so nicht nur zu einer wichtigen Wissensplattform zu vielfältigsten Fragestellungen im Zusammenhang mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen geworden. Sie hat bundesweit, aber auch bis in die kleinsten Ortschaften hinein eine umfassende Beratungs- und Unterstützungsstruktur geschaffen, die in dieser Form auch gemessen an den Verhältnissen in anderen Ländern einzigartig ist. Dabei liegt der Fokus stets darauf, die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen zu stärken und zu achten.
Angebote der Selbsthilfe grenzen sich somit auch von Konzepten der paternalistischen Fürsorge bewusst ab.
Die demokratische Legitimation, die im gleichberechtigten Zusammenschluss der Betroffenen begründet ist, ist auch die Grundlage dafür, dass die verbandliche Selbsthilfe zu einem wichtigen Akteur im Bereich der Politik geworden ist. Die Patientenorientierung des Gesundheitswesens und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in unserer Gesellschaft sind schlichtweg ohne eine maßgebliche Mitwirkung der Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen in Deutschland nicht denkbar.
Die Selbsthilfe.app der BAG SELBSTHILFE gibt einen Überblick über die Selbsthilfeverbände in Deutschland und über deren Handlungsfelder. Dieser Überblick kann aber stets nur eine Momentaufnahme sein, da sich die verbandliche Selbsthilfe in einem kontinuierlichen Weiterentwicklungsprozess befindet. Gerade unter den Rahmenbedingungen der fortschreitenden Digitalisierung unserer Gesellschaft befinden sich auch die Arbeitsformen und Angebote der Selbsthilfe in einem steten Wandel.
Neue Herausforderungen für unsere Mitglieder sind stets auch ein Auftrag für uns, die Wirkkräfte des Selbsthilfeprinzips von Neuem zur Geltung zu bringen.
Dr. Martin Danner
Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE
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Politische Arbeit der BAG SELBSTHILFE
Die BAG SELBSTHILFE vertritt die Interessen behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen, indem sie auf Barrieren, Versorgungslücken und -brüche aufmerksam macht und entsprechende Verbesserungsvorschläge in die Diskussion einbringt. Zielrichtung der politischen Arbeit sind aber auch die Zivilgesellschaft und der einzelne Bürger, um die Öffentlichkeit für die Belange behinderter und chronisch kranker Menschen zu sensibilisieren. In diesem Sinne will die BAG SELBSTHILFE dazu beitragen, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung maßgeblich zu verbessern.
Einen besonderen Stellenwert hat hier die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), insbesondere die Herstellung von Barrierefreiheit. Artikel 9 (Zugänglichkeit) der UN-Behindertenrechtskonvention verlangt von den Vertragsstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderung den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen sowie anderen der Öffentlichkeit bereitgestellten Einrichtungen und Diensten zu gewährleisten. Dieser umfassende Begriff der Barrierefreiheit ist grundlegende Voraussetzung für ihre unabhängige Lebensführung sowie eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen und Inklusion.
Ein weiterer Schwerpunkt der politischen Arbeit der BAG SELBSTHILFE besteht darin, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen und der Pflege weiter voranzubringen. Viele PatientInnen nehmen das Gesundheits- und Pflegesystem als schwer durchschaubaren Dschungel wahr; oft ist ihnen unklar, welche Rechte sie haben, auch wegen der oft komplexen Rechtslage. Die BAG SELBSTHILFE tritt insoweit dafür ein, das Gesundheitssystem transparenter auszugestalten, die Patientensicherheit zu erhöhen und die Beratungsangebote für Betroffene und Angehörige zu verbessern, damit diese in ihren Rechten und in der Navigation durch das System gestärkt werden. Der BAG SELBSTHILFE kommt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen zu. Sie ist die Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen.
Darüber hinaus setzt sich die BAG SELBSTHILFE für eine Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft ein. Die Selbsthilfe ist eine unserer Säule der Zivilgesellschaft. Für eine verbesserte Förderung der Selbsthilfe treten wir ein.
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Politik zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Die BAG SELBSTHILFE setzt sich in ihrer politischen Arbeit dafür ein, die Rechte von Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen zu stärken. Im Hinblick auf die aktuelle Legislaturperiode hat die BAG SELBSTHILFE ein umfassendes Forderungspapier veröffentlicht. Die darin gesetzten teilhabepolitischen Themenschwerpunkte haben zum Ziel, Menschen mit Behinderungen die volle, wirksame und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Hierfür wird die BAG SELBSTHILFE in der kommenden Legislaturperiode und darüber hinaus einstehen.
Mit Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) am 24. Februar 2009 ist die Bundesrepublik Deutschland eine unwiderrufliche Verpflichtung eingegangen: die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern und den Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft zu ebnen. Hierfür muss die Bundesregierung unter anderem:
- Barrierefreiheit umfassend herstellen,
- Diskriminierungen beseitigen,
- Menschen mit Behinderungen ermöglichen, bei allen politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsfindungsprozessen mitzuwirken.
Wie weit die Bundesregierung in diesem Prozess fortgeschritten ist oder vielmehr zurückliegt, hat der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach der zweiten und dritten Staatenprüfung Deutschlands 2023 unmissverständlich formuliert. Die Bundesrepublik hat das Ziel einer inklusiven Gesellschaft noch lange nicht erreicht und muss die Umsetzung der UN-BRK mit größter Intensität fortsetzen.
Im Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode greift die Bundesregierung erfreulicherweise viele Forderungen der BAG SELBSTHILFE auf. Die BAG SELBSTHILFE wird sich mit Nachdruck dafür starkmachen, dass die politischen Vorhaben umgesetzt und sowohl Inklusion als auch Teilhabe gestärkt werden.
1. Sozialpolitische Themenschwerpunkte
Für die aktuelle Legislaturperiode hat sich die BAG SELBSTHILFE sozialpolitische Themenschwerpunkte gesetzt, die sie mit ihrer Arbeit verfolgen und gegenüber der Bundesregierung einfordern wird. Zu diesen Schwerpunkten zählen:
Diskriminierungsschutz verbessern
Gegenüber der neuen Bundesregierung wird die BAG SELBSTHILFE ihre Anstrengungen intensivieren, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu überarbeiten und im Zuge dessen fehlende Barrierefreiheit als Diskriminierungstatbestand festzuschreiben. Der DBR und die BAG SELBSTHILFE fordern die neue Bundesregierung außerdem auf, ihren Widerstand gegen die Antidiskriminierungs-Richtlinie auf europäischer Ebene aufzugeben.
Barrierefreiheit schaffen
Nach Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention muss Deutschland sicherstellen, dass Barrierefreiheit im öffentlichen und privaten Bereich gewährleistet ist. Die BAG SELBSTHILFE fordert, Barrierefreiheit umfassend und in allen Lebensbereichen umzusetzen. Dazu zählt unter anderem:
- dass zukünftig auch private Anbieter*innen von Produkten und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit verpflichtet sind.
- dass längst überfällige Gesetzeskorrekturen im Personenbeförderungsgesetz und in den sozialen Gesetzbüchern umgesetzt werden.
Die BAG SELBSTHILFE wird sich außerdem dafür einsetzen, die Bundesinitiative Barrierefreiheit mit Leben zu füllen und mit einem angemessenen Förderprogramm zu unterlegen. Der DBR wird zu diesem Zweck eine tragende Rolle in den Arbeitsgruppen der Bundesinitiative einnehmen.
Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes
Die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) ist seit vielen Jahren ein zentrales politisches Ziel der BAG SELBSTHILFE. Die Reform muss folgende Punkte umfassen:
- Barrierefreiheit als Pflicht: Private Anbieter*innen müssen gesetzlich verpflichtet werden, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten und angemessene Vorkehrungen zu treffen, um vorhandene Barrieren zu überwinden.
- Schließen von Schutzlücken: Der Anwendungsbereich des BGG muss erweitert werden. Auch dann, wenn öffentliche Daseinsfürsorge in privater Rechtsform erfolgt muss das BGG voll greifen. Dies gilt insbesondere für Verkehrsbetriebe und Internetanbieter.
- Verbot von Diskriminierung: Das in § 7 BGG verankerte Benachteiligungsverbot muss geschärft werden. Wenn gesetzliche Vorgaben zur Barrierefreiheit nicht eingehalten oder verhältnismäßige Einzelfalllösungen verwehrt werden, ist dies als Diskriminierung zu werten und zu sanktionieren.
All diese Ziele sind in einer Legislaturperiode nicht zu erreichen. Dennoch wird sich die BAG SELBSTHILFE mit Nachdruck für eine Weiterentwicklung des BGG einsetzen.
Weiterentwicklung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes
Am 28. Juni 2025 ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft getreten, kurz: BFSG. Das Gesetz übertragt den sogenannten European Accessibility Act (EAA) in deutsches Recht und ist ein erster wichtiger Schritt, um die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen verbindlich umzusetzen.
Der Umfang der Produkte und Dienstleistungen, die vom BFSG erfasst werden, ist derzeit noch zu begrenzt und für das Erreichen einer barrierefreien Umwelt nicht ausreichend. Um Barrierefreiheit sicherzustellen, sind dringend die folgenden Nachbesserungen erforderlich:
- Das BFSG muss auf Produkte und Dienstleistungen des privaten Sektors ausgeweitet werden. Dies gilt vor allem für Postdienstleistungen, Haushaltsgeräte, Medizinprodukte sowie Selbstbedienungs- und Bezahlterminals.
- Der Anwendungsbereich muss Produkte und Dienstleistungen einbeziehen, die beruflich genutzt werden.
- Die bauliche Umwelt muss in das BFSG aufgenommen werden.
- Die im BFSG gewährten Übergangsfristen sind deutlich zu verkürzen.
Im Zuge der Nachbesserungen muss außerdem definiert werden, welche Vorkehrungen zum Schaffen von Barrierefreiheit als angemessen zu erachten sind (siehe Reform des BGG). Für den Fall, dass Anbieter*innen von Produkten und Dienstleistungen angemessene Vorkehrung unterlassen, ist dies als Diskriminierung zu werten. Gegen derartige Diskriminierungen vorzugehen, ist Aufgabe des Staates und darf nicht den Betroffenen überlassen werden.
Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen
Am 2. Dezember 2024 hat der ehemalige Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach den Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen vorgelegt und diesen an den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, sowie an die damalige Sprecherin des Deutschen Behindertenrates, Verena Bentele, übergeben.
Ziel für die kommende Legislaturperiode muss es sein, den Aktionsplan endlich konsequent umzusetzen. Dies gilt insbesondere für die Umsetzung der Richtlinie zu den Auskünften über Barrieren in Arztpraxen.
Digitale Barrierefreiheit
Egal ob Bildung, Arbeit, Verwaltung, Handel, Personenverkehr, Gesundheit, Kultur, Medien oder Kommunikation – die Digitalisierung in der Gesellschaft erfasst mittlerweile alle Lebensbereiche. Damit alle Menschen gleichermaßen von der Entwicklung profitieren und niemand ausgeschlossen wird, muss digitale Barrierefreiheit konsequent mitgedacht und umgesetzt werden – und das entsprechend der bestehenden Standards.
Die BAG SELBSTHILFE fordert vor allem, dass in den Förderprogrammen des Bundes zur Digitalisierung Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtend sind.
Partizipation stärken
Verbände von Menschen mit Behinderungen müssen endlich eine reale Chance erhalten, um tatsächlich an politischen Prozessen mitzuwirken. Um dies zu erreichen, sind rechtliche Änderungen notwendig – wie etwa in der Geschäftsordnung der Bundesregierung, durch die finanzielle Aufstockung des Partizipationsfonds oder eine nachhaltige und unbürokratische Förderung des Deutschen Behindertenrates.
Reform der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe
Der Gesetzesentwurf zur Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (IKJHG) konnte wegen der vorgezogenen Bundestagswahl nicht mehr verabschiedet werden. Die BAG SELBSTHILFE erwartet von der neuen Bundesregierung, dass das Reformvorhaben – wie im Koalitionsvertrag 2025 angekündigt – unter Beteiligung der Zivilgesellschaft intensiv vorangetrieben wird. Die Reform muss in einem Gesetz münden, das die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und ihren Familien deutlich verbessert. Hierfür müssen unter anderem fehlende Regelungen für bedarfsgerechte Leistungen sowie Angebote für eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe ergänzt werden.
Inklusive Bildung
Im gegenwärtigen politischen Klima werden Forderungen laut, die Entwicklung zu einem inklusiven Bildungssystem zu bremsen oder sogar zurückzudrehen. Die neue Bundesregierung muss dieser Entwicklung entschlossen entgegentreten. Ziel muss es sein, eine verbindliche Gesamtstrategie zur inklusiven Bildung zu beschließen.
Gewaltschutz
„Eine weitere Schutzlücke ist die fehlende behördliche Überwachung des Gewaltschutzes in Einrichtungen. Der Gewaltschutz wird bisher nicht oder kaum von außen wirksam kontrolliert.“ Britta Schlegel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention.
Menschen mit Behinderungen erleben im Laufe ihres Lebens häufiger psychische, körperliche und sexuelle Gewalt oder Belästigung als Menschen ohne Behinderungen. Dies gilt insbesondere für Mädchen und Frauen mit Behinderungen, die besonders häufig Gewalt erfahren. Um sie zu schützen, muss jegliche Form von Gewalt und Missbrauch konsequent bekämpft werden.
Im 27. Februar 2025 wurde im Bundesgesetzblatt das Gesetz für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt verkündet (siehe Bundesgesetzblatt Nr. 57). Das Gesetz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen vor allen Formen von Gewalt und Missbrauch geschützt werden, müssen jedoch weitere wirksame Maßnahmen folgen. Hierbei gilt es insbesondere, konkrete, rechtlich verbindliche und bundesweite Mindeststandards für Gewaltschutzkonzepte zu entwickeln.
Teilhabe am Arbeitsleben verbessern
In Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention ist das Recht auf Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen als Menschenrecht verbrieft. Die abschließenden Bemerkungen zur zweiten und dritten Staatenprüfung Deutschlands in zeigen, dass dieses Recht in der Bundesrepublik bislang nicht verwirklicht wurde.
„Der Ausschuss ist besorgt über die hohe Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderungen (…), die hohe Zahl derer, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen arbeiten und die geringe Übergangsquote in den ersten Arbeitsmarkt.“ Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Die neue Bundesregierung muss den rechtlichen Verpflichtungen nachkommen und einen offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt schaffen. Hierfür fordert die BAG SELBSTHILFE, die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) neu auszurichten, die lang angekündigte Novellierung des WfbM-Entgeltsystems umzusetzen und den Übergang auf den regulären Arbeitsmarkt zu fördern.
2. Gremienarbeit der BAG SELBSTHILFE
Als Spitzenorganisation der Selbsthilfe arbeitet die BAG SELBSTHILFE kontinuierlich in politischen Gremien mit, um die Interessen von Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen zu vertreten. Im Jahr 2025 ist sie unter anderem in den folgenden Gremien vertreten:
Beirat der Bundesinitiative Barrierefreiheit
Im November 2022 hat die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) die ressortübergreifende Bundesinitiative Barrierefreiheit ins Leben gerufen. Ziel der Bundesinitiative ist es, das Recht auf uneingeschränkte Teilhabe in allen Lebensbereichen zu verwirklichen und Prozesse voranzutreiben, die für die Realisierung von Barrierefreiheit notwendig sind.
Die BAG SELBSTHILFE ist zusammen mit anderen DBR-Verbänden im Beirat der Bundesinitiative Barrierefreiheit vertreten. Sie wird deren Arbeit auch zukünftig intensiv begleiten. Anlässlich der Inklusionstage 2025 in Berlin hat die Initiative erstmals einen Zwischenbericht über ihre Tätigkeit erstellt. Der Bericht fasst die wichtigsten Aktivitäten der letzten Monate zusammen.
Inklusionsbeirat beim Behindertenbeauftragten der Bundesregierung
Der Inklusionsbeirat beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen begleitet die nationale Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Die BAG SELBSTHILFE ist seit Jahren als Mitglied in diesem Gremium vertreten und wird ihre Expertise auch zukünftig einbringen.
Am 17. Juni 2025 kam der Inklusionsbeirat der neuen Legislaturperiode zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die wichtigsten Themen für die kommenden vier Jahre sind unter anderem die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes, der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt, der Zugang zum Gesundheitswesen sowie bezahlbarer und barrierefreier Wohnraum.
BMAS-Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen
Der Beirat für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist das zentrale Steuerungsgremium von Bund, Ländern, Rehabilitationsträgern, den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege und den Verbänden behinderter Menschen, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben zu stärken. Die BAG SELBSTHILFE engagiert sich hier seit vielen Jahren und wird sich auch in Zukunft für die Belange von Menschen mit Behinderungen starkmachen.
Drei zentrale Anliegen für die kommenden Jahre sind es:
- die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen für den ersten Arbeitsmarkt zu öffnen,
- mehr Unternehmen zu gewinnen, die Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen und
- entsprechende Schulungen auf den Weg zu bringen.
Beirat des Partizipationsfonds
Über den Partizipationsfond können Organisationen und Verbände Förderungen für Vorhaben beantragen, die insbesondere die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ermöglichen oder erleichtern. Der Beirat des Partizipationsfonds, in dem Vertreter*innen der Behindertenverbände vertreten sind, tagt zweimal im Jahr, um die eingegangenen Förderanträge zu bewerten und Förderempfehlungen auszusprechen.
Die BAG SELBSTHILFE arbeitet in den Beiratssitzungen des Partizipationsfonds mit und freut sich darauf, Projekte auf den Weg zu bringen, die die politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen und ihrer Verbände wirksam stärken.
NAP-Ausschuss zur Umsetzung der UN-BRK
Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist seit über 16 Jahren geltendes Recht in Deutschland und bindend für alle Träger*innen öffentlicher Gewalt. Um die UN-BRK auf nationaler Ebene umzusetzen und Inklusion in allen Lebensbereichen voranzutreiben, hat die Bundesregierung 2011 den nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der UN-BRK als partizipatives Arbeitsgremium ins Leben gerufen.
Die Mitarbeit im NAP-Ausschuss ist für die BAG SELBSTHILFE ein kontinuierlicher Schwerpunkt im Rahmen ihrer Gremienarbeit. Sie sieht sich – zusammen mit den DBR-Verbänden – in der Pflicht, die Umsetzung der UN-BRK weiter zu begleiten und sich mit Nachdruck für die Rechte Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen einzusetzen. Dies gilt auch für den im Jahr 2024 angestoßenen Follow-up-Prozess, den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales federführend leitet, um die Umsetzung der UN-BRK in den Ministerien kontinuierlich zu voranzutreiben.
Umsetzungsbeirat der Nationalen Plattform Resilienz
Als offizielle Vertretung des Deutschen Behindertenrats arbeitet die BAG SELBSTHILFE im Umsetzungsbeirat der Nationalen Plattform zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen mit, kurz: Nationale Plattform Resilienz. Das Gremium besteht aus 17 Vertreter*innen des Bundes, der kommunalen Spitzenverbände, der Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Medien und der Bildung.
Im März 2025 wurde ein gemeinsames Statement veröffentlicht, das sieben Kernforderungen formuliert, um Deutschland widerstandsfähiger zu machen – darunter die Schaffung und Umsetzung eines inklusiven und barrierefreien Katastrophenrisikomanagements.
Zu dritten Sitzung am 15. und 16. Mai 2025 wurden sowohl das Statement als auch der zukünftige Beitrag zur Weiterentwicklung der Resilienzstrategie diskutiert. Der Beirat wird bis Ende 2025 einen gemeinsamen Beitrag erarbeiten und diesen an die neue Bundesregierung übergeben.
Leitung des DBR-Sekretariats durch die BAG SELBSTHILFE
Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember 2024 hat der Deutsche Behindertenrat (DBR) seine alljährliche Vollversammlung abgehalten. Fester Bestandteil der Veranstaltung ist die Übergabe des Staffelstabs für die Leitung des DBR-Sekretariats. Im Dezember 2024 ging der Staffelstab an die BAG SELBSTHILFE. Sie wird in den kommenden zwölf Monaten die Aktivitäten des DBR koordinieren und – gemeinsam mit den anderen Mitgliedsverbänden – die Interessen behinderter und chronisch kranker Menschen offensiv vertreten.
„Die im Deutschen Behindertenrat zusammengeschlossenen Verbände werden mit aller Entschlossenheit und Nachdruck von der Politik konkretes Handeln zur Gewährleistung von Inklusion und gleichberechtigter Teilhabe einfordern.“ Hannelore Loskill, Bundesvorsitzende BAG SELBSTHILFE.
Als Leitung des DBR-Sekretariats bereitet die BAG SELBSTHILFE nicht nur die Gremiensitzungen und politischen Aktivitäten organisatorisch vor. Sie ermöglicht auch die notwendigen Kommunikationsprozesse der Verbände untereinander und gewährleistet eine wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit des Aktionsbündnisses.
Die BAG SELBSTHILFE bearbeitet jede Woche zahlreiche Anfragen an das DBR-Sekretariat und bringt Beteiligungsprozesse zum Abschluss gebracht.
3. Begleitung von Gesetzesvorhaben
Die BAG SELBSTHILFE bringt sich jedes Jahr in eine Vielzahl teilhabepolitischer Entscheidungsprozesse ein und wird diese Arbeit auch in der Legislaturperiode 2025-2029 fortsetzen. Hierfür formuliert sie in allen relevanten Gesetzgebungsverfahren schriftliche Stellungnahmen, in denen die Belange ihrer Mitglieder vertritt. Darüber hinaus wirkt sie in Anhörungen sowie in den zentralen Gremien von Ministerien mit. Die persönlichen Kontakte, die zu wichtigen Entscheidungsträger*innen in Politik und Gesellschaft bestehen, wird die BAG SELBSTHILFE weiter ausbauen, um für ihre Mitgliedsverbände konkrete Verbesserungen zu erreichen.
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Pflegepolitik
Die BAG SELBSTHILFE ist einer der maßgeblichen Verbände nach § 118 SGB XI, die in Deutschland die Interessen pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen vertreten.
1. Pflegepolitische Themenschwerpunkte in 2025
Nach wie vor fehlt es an einer grundsätzlichen Reform der Pflegeversicherung. Die BAG SELBSTHILFE tritt seit langem für eine allgemeine gesetzliche Pflegeversicherung ein, in welcher die pflegebedingten Kosten vollumfänglich und solidarisch übernommen werden.
Eine Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Pflege würde angesichts der sehr ähnlichen Struktur und gleichzeitiger Integration der guten Risiken der privaten Krankenkassen zu einer Entlastung der gesetzlichen Pflegekassen führen. Notwendiger Bestandteil dieser Reform müsste dabei – neben der Entlastung der Eigenanteile in den Pflegeheimen um die pflegebedingten Kosten sowie die Übernahme der Investitionskosten durch die Länder – auch ein Bedarfsermittlungsverfahren für den Bereich der ambulanten Pflege sowie Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige sein. Ein erste Zwischenschritt dieser großen Pflegereform könnte der sog. Sockel-Spitze-Tausch sein, mit dem sichergestellt wird, dass Lohnsteigerungen nicht mehr zu Lasten der Eigenanteile der Betroffenen gehen.
Reform der Pflegeversicherung
Die BAG SELBSTHILFE hat in der letzten Legislaturperiode immer wieder tiefgreifende Reformen der Pflegeversicherungen und gleichzeitig als Zwischenschritt auch zügig einzuführende Entlastungen für Betroffene und Ihre Angehörigen gefordert. Auch wenn viele Punkte, die die BAG SELBSTHILFE in Ihren Forderungspapieren und Stellungnahmen eingebracht hatte, von der Politik inhaltlich aufgegriffen wurden (z.B. Dynamisierung, Entlastungsbetrag), war die Umsetzung dennoch nicht zeitnah, da die Verbesserungen über einen längeren Zeitraum verteilt wurden. Angesichts der enormen Inflation war dies aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE nicht ausreichend. Vor diesem Hintergrund hat sie sich in den entsprechenden Gesetzgebungsverfahren und während des Bundestagswahlkampfes für schnell wirksame Entlastungen der Betroffenen und der pflegenden Angehörigen – auch im Schulterschluss mit anderen Verbänden - eingesetzt.
Gegenüber der nach dem Koalitionsvertrag vorgesehenen und zwischenzeitlich eingesetzten Bund-Länderkommission zur Reform der Pflegeversicherung und in anschließenden Gesetzgebungsverfahren sowie in Gesprächen mit Abgeordneten wird sie diese Forderungen auch weiterhin vorantreiben.
2. Gremienarbeit der BAG SELBSTHILFE
Qualitätsausschuss Pflege
Als maßgebliche Interessenvertretung nach § 118 SGB XI engagiert sich die BAG SELBSTHILFE fortlaufend im Rahmen des Qualitätsausschusses Pflege dafür, dass die Abläufe in der ambulanten und stationären Pflege für Patient*innen transparenter werden und Betroffene leichter qualitativ gute Unterstützung finden. Auch Verbesserungen beim Hitzeschutz standen im Fokus der Arbeit des Qualitätsausschusses.
Medizinischer Dienst Bund
Sowohl im Verwaltungsrat als auch in den Stellungnahmeverfahren des MD Bund wirkt die BAG SELBSTHILFE mit ihrer Expertise an der Weiterentwicklung der Pflegebegutachtung und der Qualitätssicherung in der Pflege mit. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf innovativen Formaten der Begutachtung, wie bspw. die Videobegutachtung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz.
3. Begleitung von Gesetzesvorhaben
Die BAG SELBSTHILFE wird sich auch in dieser Legislaturperiode in eine Vielzahl pflegepolitischer Entscheidungsprozesse einbringen. Dies geschieht durch die Vertretung der Belange ihrer Mitglieder in allen Gesetzgebungsverfahren durch schriftliche Stellungnahmen sowie Mitwirkung in Anhörungen und zentralen Gremien von Ministerien und Selbstverwaltung. Beispiele hierfür sind die Diskussionen zum Pflegekompetenzgesetz und zum Pflegefachassistenzkräftegesetz sowie die Mitwirkung bei der Kommission zur Reform der Pflegeversicherung.
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Gesundheitspolitik
Die BAG SELBSTHILFE vertritt die Interessen chronisch kranker und behinderter Menschen in zahlreichen gesundheitspolitischen Gesetzgebungsprozessen und in einer Vielzahl fachpolitischer Gremien.
1. Gesundheitspolitische Themenschwerpunkte in 2025
Patientenorientierung des Gesundheitswesens
Ein zentrales Anliegen der politischen Arbeit ist die umfassende Patientenorientierung des Gesundheitswesens. Einigkeit besteht an sich in der Politik, dass die Patient*innen im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik stehen sollen. Dennoch ist zu konstatieren, dass:
es vielfach Über-, Unter- und Fehlversorgung gibt
viele medizinische Leistungen einen konkreten Nachweis des Patientennutzens nicht erbringen können,
andererseits viele Patient*innen medizinisch erforderliche Leistungen selbst bezahlen oder nur mit Zu- oder Aufzahlungen erhalten.
viele Patient*innen keinen oder unzureichenden Zugang zu medizinischen Leistungen haben, da beispielsweise Arztpraxen nicht barrierefrei ausgestaltet sind,
die Sicht der Patient*innen im Behandlungsgeschehen vielfach nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt wird,
die Strukturen der gesundheitlichen Versorgung und die Qualifikationen der Behandler*innen für die Patient*innen zumeist intransparent sind,
Patient*innen zunehmend Schwierigkeiten haben, zeitnah Leistungen zu bekommen, auf die sie einen Anspruch haben. So finden inzwischen manche Patient*innen keinen Hausarzt mehr, der Zugang zu Fachärzten dauert oft mehr als ein Vierteljahr.
die Patientenbeteiligung in den Gremien des Gesundheitswesens von den Patientenorganisationen zum Teil mit den Mitteln ihrer Mitglieder finanziert werden muss, obwohl die Einbindung von Betroffenenkompetenz in die Entscheidungsstrukturen ein essentieller Baustein für die Patientenorientierung des Gesundheitswesens ist.
Zugang zur Versorgung sichern
Auch im vergangenen Jahr hat sich die BAG SELBSTHILFE mit Nachdruck für eine echte Patientenorientierung des Gesundheitswesens nach folgenden Maßgaben eingesetzt:
Arzttermine müssen für Betroffene zeitnah verfügbar sein; es ist aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE zweifelhaft, ob eine derartige bessere Verfügbarkeit wirklich durch Patientensteuerung zu erhalten ist. Notwendig ist in jedem Fall ein unkomplizierter Zugang für Menschen mit chronischen Erkrankungen zum Facharzt, da er für sie meist der entscheidende Ansprechpartner ist; hier wäre ein Patientensteuerung nur eine Bürokratisierung eines medizinisch notwendigen Zugangs.
Zudem müssen Patient*innen erforderliche medizinische Leistungen aufzahlungsfrei erhalten; Über- Unter- und Fehlversorgung muss abgebaut werden. Dabei muss sich die Versorgung stärker an den Patient*innen ausrichten; über eine Stärkung der individuellen Patientenrechte im Arzt-Patienten- Verhältnis muss sichergestellt werden, dass die Patientensicherheit auch bei allen Behandlungsentscheidungen hinreichend berücksichtigt wird.
Weiterentwicklung der Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen
Die maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140f SGB V müssen sowohl in finanzieller als auch in personeller und organisatorischer Hinsicht eine strukturelle Stärkung erfahren, damit diese auf Augenhöhe mit den Selbstverwaltungspartnern in den Entscheidungsverfahren zur Ausgestaltung des Gesundheitswesens mitwirken können.
Die BAG SELBSTHILFE fungiert seit vielen Jahren als Koordinierungsstelle der Patientenvertretung nach § 140 f SGB V.
Täglich werden hier Benennungen für Unterausschüsse, Arbeitsgruppen und Plenum mit den anderen Verbänden der Patientenvertretung abgestimmt.
Angesichts der Vielzahl der im Gemeinsamen Bundesausschuss inzwischen behandelten Themen ist jedoch eine Stärkung der personellen, organisatorischen und finanziellen Ressourcen der Patientenvertretung im Gesundheitswesen nach wie vor dringend erforderlich. Auf Bundesebene muss die Arbeit der Sprecher*innen der Patientenvertretung in den Unterausschüssen des Gemeinsamen Bundesausschuss stärker gefördert und für angemessene Aufwandsentschädigung dieser Tätigkeit gesorgt werden. Dies gilt auch für die Weiterentwicklung der Patientenbeteiligung auf der Landesebene. So hat sich die BAG SELBSTHILFEF immer wieder im Rahmen von Stellungnahmen für Verbesserungen in der Patientenvertretung auf Landesebene eingesetzt, etwa für ein Antragsrecht auf Landesebene und eine Erweiterung des Aufgabenspektrums einer unterstützenden Stabsstelle auf die Aufgaben der Qualitätssicherung.
Auch dies muss künftig politisch weiterverfolgt werden.
Stabilisierung der Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung durch eine strikte Orientierung der Versorgung am Patientennutzen
Die BAG SELBSTHILFE setzt sich – angesichts der zunehmenden Finanzprobleme der Krankenkassen – dafür ein, dass diese Finanzprobleme nicht zu Lasten der Menschen mit chronischen Erkrankungen gelöst werden.
In den letzten Jahren wurde immer wieder versucht, Probleme im Gesundheitssystem durch bessere Entlohnung der Leistungserbringer zu lösen, etwa die Einrichtung eines Transformationsfonds oder die Entbudgetierung der Hausärzte. Im vergangenen Jahr sind etwa die Kosten für die Krankenhausversorgung und die Arzneimittel um 10 Prozent gestiegen.
Aus der Sicht der BAG SELBSTHILFE kann es nicht sein, dass die Patient*innen diese Einkommensverbesserungen nicht nur durch erhöhte Beiträge, sondern durch Leistungseinschränkungen oder erhöhte Zuzahlungen finanzieren sollten.
Vor diesem Hintergrund hat sich die BAG SELBSTHILFE in der letzten Legislaturperiode dafür eingesetzt, dass durch eine maßvolle Ausgabenpolitik und eine Verbesserung der Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen Effizienzpotentiale genutzt werden. Auch vorgesehener Bürokratieabbau sollte zuallererst den Patient*innen zu Gute kommen; soweit sich dadurch Zeit einsparen lässt, muss diese für Patient*innen zur Verfügung stehen.
Krankenhausreform
Im Bereich der Krankenhausversorgung (KHVVG) hat sich die BAG SELBSTHILFE bereits in der vergangenen Legislaturperiode dafür eingesetzt, auf die Notwendigkeit der Erhaltung von guten Versorgungsstrukturen – wie etwa Fachkliniken – hinzuweisen und vor einer zu schematischen Anwendung der Qualitätskriterien gewarnt; hier hat es im Koalitionsvertrag bereits Hinweise gegeben, dass diese Thema in der neuen Legislaturperiode aufgegriffen wird.
Auch die Kritik der BAG SELBSTHILFE und anderer an der vorgesehenen Finanzierung des Transformationsfonds teilweise über Beitragsmittel wurde im Koalitionsvertrag bereits aufgegriffen.
Schließlich bringt sich die BAG SELBSTHILFE auch im sog. Leistungsgruppenausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss in die Diskussionen zur Ausgestaltung der Krankenhausreform ein und vertritt die Anliegen der betroffenen Patientinnen und Patienten.
Hilfsmittelversorgung
Auch im Bereich der Hilfsmittelversorgung hat sich die BAG SELBSTHILFE bereits in der letzten Legislaturperiode mit einem umfassenden Forderungspapier mit Verbesserungsvorschlägen in die politischen Diskussionen eingebracht. Nach wie vor sind gesetzliche Maßnahmen erforderlich, um eine bedarfsgerechte und transparent strukturierte Versorgung zu ermöglichen.
Ferner bringt sich die BAG SELBSTHILFE über eine Vielzahl von Stellungnahmen in die fortlaufende Überarbeitung des Hilfsmittelverzeichnisses ein.
Aktionsplan für ein barrierefreies, inklusives und diverses Gesundheitssystem
Es war in der letzten Legislaturperiode ein großer politischer Erfolg der BAG SELBSTHILFE, dass der Aktionsplan für ein barrierefreies, inklusives und diverses Gesundheitssystem verabschiedet wurde. Es wurden dann aber nur eine geringe Zahl der dargestellten Maßnahmen in Gesetzgebungsverfahren verabschiedet. Die BAG SELBSTHILFE und ihre Verbände hatten sich in die Prozesse zur Entwicklung des Aktionsplans intensiv eingebracht und werden die Umsetzung weiter vorantreiben.
2. Begleitung von Gesetzesvorhaben und Mitwirkung in der gemeinsamen Selbstverwaltung
Die BAG SELBSTHILFE wird sich auch in dieser Legislaturperiode in eine Vielzahl gesundheitspolitischer Entscheidungsprozesse einbringen. Dies geschieht durch die Vertretung der Belange ihrer Mitglieder in allen Gesetzgebungsverfahren durch schriftliche Stellungnahmen sowie Mitwirkung in Anhörungen und zentralen Gremien von Ministerien.
Die BAG SELBSTHILFE wird aber auch in den Gremien der (gemeinsamen) Selbstverwaltung nicht nur koordinierend tätig sein, sondern hier maßgeblich politische Impulse setzen.
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Digitalpolitik
Die BAG SELBSTHILFE beteiligt sich in vielfältiger Art an der Weiterentwicklung der Digitalisierung für das Gesundheitswesens. Für 2025 hat sich die BAG SELBSTHILFE die folgenden Schwerpunkte gesetzt:
Einführung der „Opt-out“-ePA
Seit dem 15. Januar 2025 steht allen gesetzlichen Versicherten eine elektronische Patientenakte zur Verfügung, kurz: ePA. Zeitgleich haben die Krankenkassen schrittweise die sogenannte „Opt-out“-ePA eingeführt – also die Möglichkeit für Patient*innen, der ePA zu widersprechen.
Im Austausch mit dem Bundesgesundheitsministerium, der Nationalen Agentur für Digitale Medizin und verschiedenen Krankenkassen hat die BAG SELBSTHILFE den Prozess konstruktiv und kritisch begleitet.
Noch immer bleibt die ePA deutlich hinter ihrem Potenzial zurück. Es bedarf erheblicher Anstrengungen, um aus der ePA ein Tool zu machen, das einen relevanten Nutzen für Patient*innen und insbesondere für Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen hat.
Die BAG SELBSTHILFE hat ihre Mitglieder in vielen Veranstaltungen zur ePA und den Widerspruchsoptionen aufgeklärt und wird sich hier weiterhin intensiv engagieren.
Der Europäische Gesundheitsdatenraum
Auf europäischer Ebene laufen die Vorbereitungen, einen gemeinsamen Europäischen Raum für Gesundheitsdaten (EHDS) zu schaffen. Dieser soll unter anderem ermöglichen, dass Patient*innen ihre elektronischen Gesundheitsdaten grenzüberschreitend einsehen, kontrollieren und weitergeben können.
Die EHDS-Verordnung, die den rechtlichen Rahmen hierfür schafft, ist am 26. März 2025 in Kraft getreten. Für die europäischen Staaten steht nun bis 2029 die Umsetzung der EDHS-Verordnung an.
Die BAG SELBSTHILFE hat sich bereits einen Überblick über die ersten anstehenden Grundsatzentscheidungen verschafft. Künftig wird es darum gehen, eine effektive Beteiligung von Patient*innen zu unterstützen.
Arbeitsgruppe Digitalisierung
Der Koordinierungsausschuss der maßgeblichen Patientenorganisationen nach Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (§ 140 f SGB V) hat 2023 eine Arbeitsgruppe Digitalisierung gegründet, in der sich Digitalexpert*innen zu wichtigen Digitalthemen wie beispielsweise der elektronische Patientenakte ePA, dem Europäischen Gesundheitsdatenraum EHDS oder auch dem TI-Messenger TI-M austauschen.
(Digital-)Beirat der gematik
Als Nationale Agentur für Digitale Medizin definiert die gematik verbindliche Standards für digitale Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen und trägt die Verantwortung für eine sichere, leistungsfähige und nutzerfreundliche Infrastruktur. Fachlich begleitet wird diese Arbeit durch den gematik-Beirat, dem unter anderem Vertretungen der Länder, Patientenorganisationen, Industrie und Wissenschaft angehören.
Als Patientenvertretung bringt sich die BAG SELBSTHILFE seit vielen Jahren im gematik-Beirat ein. Seit 2024 ist die BAG SELBSTHILFE außerdem Mitglied des Digitalbeirates der gematik, der als Beratungsgremium der gematik in Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit sowie zur Nutzerfreundlichkeit der Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) zur Seite steht.
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