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Selbsthilfe in Deutschland

Die Gesundheitsselbsthilfe: Eine Erfolgsgeschichte

In Deutschland gibt es schätzungsweise 100.000 Selbsthilfezusammenschlüsse zu fast allen Indikationsgebieten und Beeinträchtigungen bundesweit tätige Selbsthilfeorganisationen. Damit hat die Gesundheitsselbsthilfe von ihren Anfängen bis heute eine rasante Entwicklung durchschritten, die auch am Beispiel der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG SELBSTHILFE) sehr deutlich wird. Denn aus der 1967 von acht Elternverbänden behinderter Kinder gegründeten „BAG Hilfe für Behinderte (BAGH)“ ist die heutige BAG SELBSTHILFE entstanden. Ein Dachverband von derzeit 120 bundesweiten Selbsthilfeverbänden. Darüber hinaus vereint sie 13 Landesarbeitsgemeinschaften und 7 außerordentliche Mitgliedsverbände. Somit sind der BAG SELBSTHILFE mehr als 1 Million körperlich-, geistig-, sinnesbehinderte und chronisch kranke Menschen angeschlossen, die sowohl auf Bundes- und Landesebene tätig sind als auch auf lokaler Ebene in Selbsthilfegruppen und Vereinen vor Ort. Eine Erfolgsgeschichte, die den stetig wachsenden Bedarf der Betroffenen, aber auch die wachsende Bedeutung der Gesundheitsselbsthilfe im Gesundheitswesen widerspiegelt.

Emanzipation und Selbstbestimmung werden gefordert

Natürlich waren die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Gesundheitsselbsthilfe in den 1968iger Jahren auch ein fruchtbarer Boden, auf dem die Selbsthilfebewegung sich etablieren konnte.  Mit dem Wertewandel und den einhergehenden Forderungen nach Demokratisierung, Emanzipation, Selbstbestimmung und Bürgerbeteiligung entwickelten die Menschen mehr Selbstbewusstsein und wagten fortan auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Gesundheitswesen. Der Arzt war nun nicht mehr zwangsweise Vertrauensperson, sein Handeln wurde hinterfragt und die „nicht-medizinischen“ Aspekte des Krankseins rückten in den Vordergrund. Genau dort setzten Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfegruppen an. 

Ihre Gründung hat nach und nach dazu geführt, dass die Belange der betroffenen Menschen mit Behinderung und chronisch Kranken stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft, vor allem aber auch der zuständigen Sozialleistungsträger, Behörden und selbstverständlich auch des Gesetzgebers gerückt sind. Denn wer selbst betroffen ist, kann am besten darlegen, welche Leistungen und Hilfen wirklich erforderlich sind. Sind mehrere Betroffene dann auch noch zu Selbsthilfegruppen und Vereinen zusammengeschlossen, wird ihnen und ihren Belangen umso mehr Gehör verliehen.

Von Anfang an waren Selbsthilfeorganisationen aber auch daraus ausgerichtet, Defizite der bestehenden Versorgungsstrukturen und der bestehenden Informationsangebote aufzufangen und eigene Angebote zur Unterstützung chronisch kranker und behinderter Menschen und ihrer Angehörigen auf die Beine zu stellen. Auch insoweit leistet die Gesundheitsselbsthilfe einen wichtigen Beitrag für unser Gesundheits-Sozialwesen.

Gesundheitsselbsthilfe als aktiver Teil der Politik

Der gegenseitige Austausch unter Gleichbetroffenen und die Emanzipation von paternalistischen Strukturen sind sicherlich die Wurzel der Selbsthilfebewegung. Selbsthilfe ist aber heute auch ein politischer Akteur im Gesundheits- und Sozialwesen. Mit ihrer Arbeit unterstützt die Gesundheitsselbsthilfe auch den Gesetzgeber, der Neuregelungen umso präziser und passgenauer formulieren kann, sowie die Arbeit von Leistungserbringern, die umso zielgerichteter gesetzliche Ansprüche erfüllen können. Es überrascht nicht, dass heute zahlreiche Gesetzesregelungen auch die Beteiligung von Selbsthilfeorganisationen vorsehen und dass die Formulierungen von Vorschriften, beispielsweise im SGB IX ausdrücklich die Belange der Betroffenen im Einzelnen aufgreifen. 

Meilensteine für die Arbeit der Selbsthilfebewegung 

Ein weiteres Indiz für den Erfolg und ein genereller Meilenstein in der Gesundheitsselbsthilfe ist die Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen durch das im Jahr 2004 in Kraft getretene Gesundheitsmodernisierungsgesetz. Denn dieses Gesetz führte etwas Maßgebliches ein: Das Mitberatungsrecht im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Damit wurde der Grundstein gelegt für die Vertretung der Interessen von PatientInnen sowie der in der Selbsthilfe organisierten chronisch kranken und behinderten Menschen. Ein Meilenstein, denn damit wurde erstmals die Selbsthilfe in die Gestaltung der gesundheitlichen Versorgung einbezogen.

Gerade die Mitgliedsverbände der BAG SELBSTHILFE bilden den Kern der so genannten maßgeblichen Patientenorganisationen und stellen mit Abstand die meisten PatientenvertreterInnen.

Durch ihre Benennung im Gesetz und ihre Beteiligung am gesundheitspolitischen Geschehen erhält die Gesundheitsselbsthilfe bereits eine generelle Honorierung ihrer Erfolgsgeschichte an sich, ihren Akteuren wird darüber hinaus aber eine klare Definition zugeordnet, die ihre speziellen Kompetenzen verdeutlicht:  Sie sind „sachkundige Personen“. Und genau diese Sachkunde, macht die Selbsthilfe für das Gesundheitswesen und nicht zuletzt für alle PatientInnen so unverzichtbar.

UN-Behindertenrechtskonvention: Hoffnung für Menschen mit Behinderung und Ihren Angehörigen

Die Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderungen ist ein Kernanliegen der Behindertenbewegung in Deutschland. In diesem Zusammenhang kommt der UN-Behindertenrechtskonvention eine wichtige Signalwirkung zu. Denn die Konvention ist die rechtlich verbindliche Willensbekundung der Völkergemeinschaft, dass allen Menschen mit Behinderungen das Recht auf volle Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einzuräumen ist.  Es handelt sich um einen wichtigen weiteren Meilenstein für die Selbsthilfebewegung in Deutschland.

Diese Konvention erfordert einen grundlegenden Wandel in der Orientierung unserer Gesellschaft, da sich alle Träger der öffentlichen Gewalt am Leitbild der Inklusion zu orientieren haben: Menschen mit Behinderungen dürfen nicht mehr als außenstehend betrachtet und anschließend „integriert" werden. Die Gesellschaft muss vielmehr alle Menschen in ihrer Vielfalt begreifen und inklusiv ausgestaltet sein. Nach diesem Leitbild müssen Menschen mit Beeinträchtigungen sich nicht mehr nach den Bedürfnissen der Gesellschaft richten, sondern die Gesellschaft hat sich mit ihren Strukturen an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten, und zwar von Anfang an und umfassend. Bund, Länder, Gemeinden und alle anderen Träger der öffentlichen Gewalt sind über die Konvention dem Leitbild einer inklusiven Gesellschaft verpflichtet.

Dies hat weitreichende Konsequenzen: Der soziale Raum sowie öffentliche Einrichtungen, so auch die des Gesundheitswesens, sind barrierefrei auszugestalten sind. Barrierefreiheit ist aber nur ein Aspekt von Inklusion. Zu überwinden ist vielmehr insgesamt die Unterscheidung zwischen „den Behinderten“ und „den Nichtbehinderten“ in unserer Gesellschaft. Im Schulwesen dürfen Kinder mit Behinderungen nicht in Sondereinrichtungen abgedrängt werden, sondern die Schule muss sich auf alle Kinder einstellen. Gleiches gilt für die Arbeitswelt oder die sogenannten neuen Medien, die heute Menschen mit Behinderungen durch ihre Barrieren vielfach ausgrenzen. Folgerichtig enthält die UN—Behindertenrechtskonvention eine Vielzahl von Maßgaben, die dies für alle Lebensbereiche - von der Bildung über die Arbeit bis zu Themen wie Gesundheit und Medien - konkretisieren.

Die Konvention geht daher uns alle an und darf im politischen Raum auch nicht einzelnen Expertinnen und Experten überlassen bleiben. lm Sinne des Disability Mainstreaming sind vielmehr alle Akteure in Staat und Gesellschaft verpflichtet, sich einzubringen, um die Ziele der Konvention in unserem Land umzusetzen. Dies ist kein Selbstgänger, denn trotz ihrer unmittelbaren Geltung für alle Träger der öffentlichen Gewalt muss die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland noch mit Leben bzw. mit Rechtskraft erfüllt werden.

Hieraus wird deutlich, dass die Erfolgsgeschichte der Gesundheitsselbsthilfe in Deutschland fortgeschrieben werden muss.

Die BAG SELBSTHILFE wird hierzu ihren Beitrag leisten, aber eigentlich geht es um mehr:

Die Stärkung der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen und ihrer Angehörigen ist ein notwendiger Baustein auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft, auf den Weg zu einem patientenorientierten Gesundheitswesen und zur vollen Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben.