Jahresrückblick 2022
Vorwort
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Selbsthilfebewegung chronisch kranker und behinderter Menschen und ihrer Angehörigen gehört zu den tragenden Säulen des bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft.
Der Austausch mit Gleichbetroffenen, die gegenseitige Unterstützung und Begleitung sind der Kern der Selbsthilfe und die Grundlage zur Stärkung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen im Umgang mit den damit einhergehenden Beeinträchtigungen.
Kennzeichnend für die Selbsthilfe in Deutschland ist jedoch, dass sich örtliche Selbsthilfegruppen in nahezu allen Indikationsbereichen zu bundesweit tätigen Selbsthilfeorganisationen zusammengeschlossen haben.
Erst dieser verbandliche Zusammenschluss macht es möglich, die Erfahrungen Einzelner strukturiert zusammenzutragen und Beratungs- und Unterstützungsangebote aller Art zu planen und umzusetzen.
Die verbandliche Selbsthilfe ist so nicht nur zu einer wichtigen Wissensplattform zu vielfältigsten Fragestellungen im Zusammenhang mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen geworden.
Sie hat bundesweit, aber auch bis in die kleinsten Ortschaften hinein eine umfassende Beratungs- und Unterstützungsstruktur geschaffen, die in dieser Form auch gemessen an den Verhältnissen in anderen Ländern einzigartig ist.
Dabei liegt der Fokus stets darauf, die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen zu stärken und zu achten.
Angebote der Selbsthilfe grenzen sich somit auch von Konzepten der paternalistischen Fürsorge bewusst ab.
Die demokratische Legitimation, die im gleichberechtigten Zusammenschluss der Betroffenen begründet ist, ist auch die Grundlage dafür, dass die verbandliche Selbsthilfe zu einem wichtigen Akteur im Bereich der Politik geworden ist. Die Patientenorientierung des Gesundheitswesens und die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in unserer Gesellschaft sind schlichtweg ohne eine maßgebliche Mitwirkung der Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen in Deutschland nicht denkbar.
Der Jahresspiegel der BAG SELBSTHILFE gibt einen Überblick über die Selbsthilfeverbände in Deutschland und über deren Handlungsfelder. Dieser Überblick kann aber stets nur eine Momentaufnahme sein, da sich die verbandliche Selbsthilfe in einem kontinuierlichen Weiterentwicklungsprozess befindet. Gerade unter den Rahmenbedingungen der fortschreitenden Digitalisierung unserer Gesellschaft befinden sich auch die Arbeitsformen und Angebote der Selbsthilfe in einem steten Wandel. Neue Herausforderungen für unsere Mitglieder sind stets auch ein Auftrag für uns, die Wirkkräfte des Selbsthilfeprinzips von Neuem zur Geltung zu bringen.

Politische Arbeit der BAG SELBSTHILFE
Die BAG SELBSTHILFE vertritt die Interessen behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen, indem sie auf Barrieren, Versorgungslücken und -brüche aufmerksam macht und entsprechende Verbesserungsvorschläge in die Diskussion einbringt. Zielrichtung der politischen Arbeit sind aber auch die Zivilgesellschaft und der einzelne Bürger, um die Öffentlichkeit für die Belange behinderter und chronisch kranker Menschen zu sensibilisieren. In diesem Sinne will die BAG SELBSTHILFE dazu beitragen, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung maßgeblich zu verbessern.
Einen besonderen Stellenwert hat hier die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, insbesondere die Herstellung von Barrierefreiheit. Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention verlangt von den Vertragsstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderung den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation sowie anderen der Öffentlichkeit bereitgestellten Einrichtungen und Diensten zu gewährleisten. Dieser umfassende Begriff der Barrierefreiheit ist grundlegende Voraussetzung für ihre selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe und Inklusion.
Ein weiterer Schwerpunkt der politischen Arbeit der BAG SELBSTHILFE besteht darin, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen und der Pflege weiter voranzubringen. Viele Patient*innen nehmen das Gesundheits- und Pflegesystem als schwer durchschaubaren Dschungel wahr; oft ist ihnen unklar, welche Rechte sie haben, auch wegen der oft komplexen Rechtslage. Die BAG SELBSTHILFE tritt insoweit dafür ein, das Gesundheitssystem transparenter auszugestalten, die Patientensicherheit zu erhöhen und die Beratungsangebote für Betroffene und Angehörige zu verbessern, damit diese in ihren Rechten und in der Navigation durch das System gestärkt werden. Der BAG SELBSTHILFE kommt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen zu.
Darüber hinaus setzt sich die BAG SELBSTHILFE für eine Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft ein. Die Selbsthilfe ist eine unsere Säule der Zivilgesellschaft. Für eine verbesserte Förderung der Selbsthilfe treten wir ein.

Politik zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Auswirkungen der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie stellte eine besondere Herausforderung für die Interessenvertretung der BAG SELBSTHILFE für die Belange von Menschen mit Behinderungen dar. Zu Beginn der Pandemie musste mit den Beschlüssen zum ersten Lockdown sichergestellt werden, dass zum einen die Sicherheit aller Menschen mit Behinderungen gewährleistet würde. Es galt, die unmittelbare Versorgung mit Maske und Schutzausrüstungen insbesondere in Einrichtungen einzufordern, aber auch auf Überforderungssituationen für die Betroffenen und ihren Angehörigen hinzuweisen. Andererseits war es aber auch eine wichtige Aufgabe der Interessenvertretung, eine maßlose Einschränkung der Freiheitsrechte von Menschen mit Behinderungen zu verhindern und Forderungen nach einem Rückzug vulnerabler Gruppen aus dem öffentlichen Leben entgegen zu treten.
Parallel dazu engagierte sich die BAG SELBSTHILFE im Bereich der inklusiven Bildung, um zu verhindern, dass unter Hinweis auf Corona-Schutzmaßnahmen Kinder mit Behinderungen ohne zwingende Gründe aus dem Schulalltag ausgeschlossen würden. Auch im Hinblick auf das etablierte Homeschooling galt es, auf die besonderen Unterstützungsbedarfe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen hinzuweisen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Interessenvertretung im weiteren Verlauf der Pandemie galt der Geltendmachung von Anliegen behinderter Menschen in den Corona-Rechtssetzungsverfahren des Bundesministeriums für Gesundheit die Barrierefreiheit von Testzentren, die Zurverfügungstellung von FFP2-Masken, die Barrierefreiheit von Impfangeboten – es galt an vielen Stellen, massiv für die Menschen mit Behinderungen im politischen Geschehen einzutreten.
Auch die Thematik der Triage beschäftigte die Verbände behinderter Menschen immer wieder sehr. Die BAG SELBSTHILFE war als anhörungsberechtigter Verband an einem Musterverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligt, das Ende 2021 das erfreuliche Ergebnis gebracht hat, dass der Gesetzgeber besondere Schutzvorschriften für Menschen mit Behinderungen in Triagesituationen vorsehen muss.
Anfang 2022 war die BAG SELBSTHILFE dann bereits in die Vorbereitungen des Bundesministeriums für Gesundheit für diese Gesetzgebung eingebunden. Die BAG SELBSTHILFE wird die Umsetzung dieser Gesetzgebung aufmerksam weiter begleiten.
Da die Bewältigung der Corona-Pandemie eine große Herausforderung für das föderale System der Bundesrepublik Deutschland darstellt, fand von Anfang an aber auch ein enger Austausch mit den Landesarbeitsgemeinschaften/ Landesvereinigungen zur Interessenvertretung in der Pandemie statt.
UN-Behindertenrechtskonvention und BTHG-Umsetzung
Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE muss die Politik zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen als zentrales gesellschaftspolitisches Reformvorhaben in unserem Land begriffen werden. Die grundlegende Neuorientierung zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen kommt in der UN-Behindertenrechtskonvention unmissverständlich zum Ausdruck
Mit ihrer Ratifizierung am 26.03.2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in der Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht geworden; sie bindet damit alle Träger öffentlicher Gewalt in ihren Entscheidungen. Damit auch die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik individuelle Rechtsansprüche aus der UN-BRK ableiten können, muss sie in nationales Recht überführt werden. Dieser Prozess hat schrittweise begonnen, es bleibt aus Sicht der BAG SELBSTHILFE jedoch noch viel zu tun.
NAP-Ausschuss
Der Ausschuss im Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Begleitung der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (NAP-Ausschuss) ist ein wichtiges Gremium, um die Weiterentwicklung der Rechte von Menschen mit Behinderungen weiter voranzutreiben.
Neben dem Staatenbericht der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-BRK in Deutschland steht beim NAP-Ausschuss die fortlaufende Umsetzung der UN-BRK bei den einzelnen Ressorts der Bundesregierung auf der Agenda. Insoweit nehmen an den Sitzungen des NAP-Ausschusses regelmäßig Vertreter aus jeweils drei bis vier Ministerien teil, die über die Aktivitäten und Entwicklungen im Zusammenhang mit der UN-BRK berichteten. In den Sitzungen des NAP-Ausschusses müssen die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Ressorts der Bundesregierung Rede und Antwort stehen, wie weit sie jeweils mit der Umsetzung der Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans gekommen sind.
Dieses Vorgehen hat sich durchaus bewährt, um die Nachhaltigkeit der politischen Prozesse wirkungsvoll zu begleiten. Leider hat die Bundesregierung im Jahr 2021 signalisiert, die Fortschreibung des Nationalen Aktionsplans künftig nicht ebenso stringent verfolgen zu wollen, wie dies bislang der Fall ist.
Die BAG SELBSTHILFE wird sich aber auch künftig mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Umsetzung der UN-BRK weiterhin konkret und konzentriert von allen Ressorts der neuen Bundesregierung weiter vorangetrieben wird.
Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG)
Nach wie vor ist die Umsetzung des BTHG eines der zentralen Themen innerhalb des behinderungspolitischen Diskurses. In zahlreichen Gremiendiskussionen sowie Einzelgesprächen mit den politisch Verantwortlichen, insbesondere Vertretern des BMAS, aber auch Länder- bzw. Behördenvertretern, setzt sich die BAG SELBSTHILFE für eine Verbesserung der Verfahren und der Rechte von Menschen mit Behinderungen ein.
Im Übrigen werden die Verbände im Rahmen der Begleitgruppe zur Länder-Bund-AG BTHG im Vorfeld sowie im Nachgang zu jeder Sitzung über den jeweils aktuellen Sachstand informiert und können auch eigene Fragen einreichen sowie Vorschläge und Kritik äußern.
Folgende Bereiche bzw. konkreten Umsetzungsschritte sind nach dem BTHG vorgesehen und zu behandeln:
- Bundesprogramm „rehapro“ (Modellprojekte bei der Rentenversicherung sowie bei den Arbeitsagenturen bzw. Jobcentern zur Entwicklung innovativer Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – bis 2026)
- Umsetzungsbegleitung gem. Art. 25 Abs. 2 BTHG mit modellhafter Erprobung (Art. 25 Abs. 3 BTHG), Wirkungsprognose (Art. 25 Abs. 2 BTHG), Finanzuntersuchung (Art. 25 Abs. 4 BTHG) sowie Untersuchung des leistungsberechtigten Personenkreises (Art. 25 Abs. 5 BTHG)
- Projekt „Umsetzungsbegleitung BTHG“
- Die äußerst schwierigen Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie hatten in einigen Bundesländern leider zu Verzögerungen bei der BTHG-Umsetzung geführt.
Die BAG SELBSTHILFE hat all diese Umsetzungsschritte intensiv begleitet und wird dies auch in den nächsten Jahren tun. Nach wie vor gilt es aber, auch weitere wichtige Reformschritte einzufordern. Dies betrifft beispielsweise die vollständige Abschaffung der Vermögensheranziehung der Betroffenen und die Verpflichtung der Rehabilitationsträger zu einer verbindlichen Zusammenarbeit in den nach dem SGB IX eigentlich vorgesehenen Arbeitsgemeinschaften. Ferner ist festzustellen, dass wichtige Elemente einer trägerübergreifenden Arbeit, die vom BTHG etabliert werden sollten, nur schwer in die Umsetzung kommen. Dies betrifft insbesondere die Umsetzung von Gesamtplan- und Teilhabeplan-Konferenzen. Auch diese Entwicklung wird die BAG SELBSTHILFE kritisch, aber auch konstruktiv weiter begleiten.
Da der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung unter anderem auch eine Weiterentwicklung des Bundesteilhabegesetzes vorsieht, bestehen gute Aussichten, hier auch in der politischen Interessenvertretung weiter voran zu kommen.
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
Die Angebote der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) sind ein wichtiger Baustein, um Menschen mit Behinderungen zur Durchsetzung ihrer Rechte zu verhelfen.
Viele Bundesorganisationen der Selbsthilfe, Landesarbeitsgemeinschaften und Landesvereinigungen, die in der BAG SELBSTHILFE Mitglied sind, engagieren sich als Träger der EUTB-Beratungsstellen. Die BAG SELBSTHILFE unterstützt diese Mitgliedsverbände durch die Organisation von Austauschmöglichkeiten und durch die Geltendmachung politischer Forderungen für die EUTB.
Im Jahr 2021 gelang es einerseits, eine Entfristung der Finanzierung der EUTB zu ermöglichen. Andererseits wurde die Finanzierung der Beratung auf eine neue Grundlage gestellt. Leider sind die Förderbedingungen nach wie vor viel zu bürokratisch und meist auf die Trägerschaft durch professionell arbeitende Strukturen zugeschnitten. Aus Sicht der BAG SELBSTHILFE kann Peer-Beratung aber nur funktionieren, wenn auch die Selbsthilfe die Trägerschaft über die EUTB übernehmen kann. Daher wird die BAG SELBSTHILFE hierzu Verbesserungen einfordern, die EUTB intensiv begleiten und Problemanzeigen der EUTB-Träger entgegennehmen, um sie an die politischen Entscheidungsträger zur Weiterentwicklung des Beratungsangebotes heran zu tragen.
Förderung von Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation – „rehapro“
Das BMAS fördert gem. § 11 SGB IX-neu im Aufgabenbereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie der gesetzlichen Rentenversicherung Modellvorhaben, die den Vorrang von Leistungen zur Teilhabe nach § 9 und die Sicherung der Erwerbsfähigkeit nach § 10 unterstützen.
Der Gesetzgeber sieht gerade vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen im Bereich der Rehabilitation die Notwendigkeit, innovative Maßnahmen und Handlungsansätze zu erproben, um dieser Entwicklung wirksam entgegenzuwirken. Dabei sollen möglichst große Spielräume eröffnet werden, um die neuen Modelle jenseits der heutigen Rehabilitationsstrukturen und -zuständigkeiten zu erproben. Die BAG SELBSTHILFE wird sich weiterhin im „rehapro“-Beirat engagieren, um die Vergabe und Begleitung der dort geförderten Projekte aus Sicht der Betroffenen mit zu gestalten. Wir werden uns insbesondere weiterhin dafür einsetzen, dass auch die Verbände betroffener Menschen in die Projekte eingebunden werden. Dies ist bislang noch zu selten der Fall.

Schaffung von Barrierefreiheit
Das Thema Barrierefreiheit steht nach wie vor im Fokus der politischen Diskussionen zur Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Schon im Jahr 2021 konnten in diesem Politikfeld bereits einige wichtige Fortschritte erzielt werden.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
So konnte die Umsetzung des sog. European Accessibility Acts in deutsches Recht seitens der BAG SELBSTHILFE begleitet werden. Beim European Accessibility handelt es sich um eine EU-Richtlinie, mit der Wirtschaftsunternehmen dazu verpflichtet werden, bestimmte Güter und Dienstleistungen nach konkreten funktionalen Barrierefreiheitsanforderungen zu gestalten. Das betrifft etwa Computer, Tablets und Smartphones, aber auch Fernsehgeräte, E-Books, Geld- und Fahrkartenautomaten, vor allem aber auch den Online-Handel.
Die EU-Richtlinie 2019/882 bezieht sich also vor allem auf die digitale Zugänglichkeit bestimmter Produkte und Dienstleistungen; zum Unmut der BAG SELBSTHILFE und vieler weiterer Organisationen wurde das Thema bauliche Barrierefreiheit hingegen weitestgehend ausgeklammert, das Gleiche gilt für den Bereich Verkehr oder auch Haushaltsgeräte. Nichtsdestotrotz wird die Richtlinie als wichtiger Schritt in die richtige Richtung gesehen, der zu mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wurde die Richtlinie in ihren Grundzügen in nationales Recht überführt. Leider versäumte es die Bundesregierung, Gestaltungsspielräume der Richtlinie zu nutzen, um in Deutschland eine progressive Umsetzung zu verwirklichen. Man beließ es lediglich bei einer wortgetreuen Deutung des Richtlinientextes.
Wichtige Inhalte werden überdies durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einer Rechtsverordnung zu klären sein. Die BAG SELBSTHILFE hat auch in der entsprechenden Arbeitsgruppe des Ministeriums intensiv mitgewirkt. Erfreulich ist, dass im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung auch eine Nachbesserung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vorgesehen ist.
Die BAG SELBSTHILFE will sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass, die noch bestehenden Defizite nun aufgearbeitet werden.
Barrierefreiheit im Bahnverkehr
Ein besonders dringliches Problem ist der Abbau von Mobilitätseinschränkungen auf Bahnreisen. Seit längerem fordern BAG SELBSTHILFE und der Deutschen Behindertenrat die Verantwortlichen bei Politik und alle Eisenbahnverkehrsunternehmen – allem voran die Deutsche Bahn AG – dazu auf, Hilfestellungen für Menschen mit Behinderungen besser zu koordinieren, und Mobilitätseinschränkungen, etwa beim Einstieg, endlich zu beseitigen. Nach wie vor sind viele Bahnsteige nicht zugänglich, Bahnen können von Rollstuhlfahrenden oft nur mit Hubliften erreicht werden, wofür – meist nicht hinreichend vorhandenes – Bedienungspersonal erforderlich ist, und Unterstützung beim Einstieg muss in der Regel lange im Vorfeld beantragt werden, so dass eine kurzfristige Inanspruchnahme des Bahnangebots oft nicht möglich ist.
Hiergegen setzen sich die BAG SELBSTHILFE und viele ihrer Mitgliedsorganisationen seit langem zur Wehr. So wurde vom Deutschen Behindertenrat ein Verfahren zum Thema Beförderungssituation von Menschen mit Behinderungen im deutschen Bahnverkehr bei der Schlichtungsstelle nach dem Behindertengleichstellungsgesetz in Gang gesetzt, wozu nunmehr ein Rechtsgutachten zur Bewertung der Situation vor dem Hintergrund der UN-BRK und den EU-Vorschriften für Fahrgastrechte von Bahnreisenden eingeholt worden ist. Der weitere Verlauf des Verfahrens bleibt abzuwarten. Auch unterstützt die BAG SELBSTHILFE aktiv die verschiedenen Initiativen, die insbesondere von Seiten des DBR, hinsichtlich der notwendigen Verbesserungen bei der Zugänglichkeit im Bahnverkehr (etwa zum Thema „niveaugleicher Ein- und Ausstieg in Zügen des Fernverkehrs“).
Die BAG SELBSHILFE ist insoweit auch in vielen Beiräten und Arbeitsgruppen zum Thema Barrierefreiheit vertreten, etwa in der Begleitenden Arbeitsgruppe zum Programm der Deutschen Bahn AG oder auch im Expertenkreis Bundesfachstelle Barrierefreiheit gem. § 13 II BGG.
Zwar hat die Bundesregierung im Jahr 2021 eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) vorgenommen, dabei aber versäumt, die Barrierefreiheit umfassend voranzutreiben.
Insbesondere kritisiert die BAG SELBSTHILFE die halbherzige Umsetzung von Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention und den bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Schaffung einer vollständigen Barrierefreiheit, wonach gemäß § 8 Abs. III S.3 PBefG bis zum 01.01.2022 die vollständige Barrierefreiheit auch im öffentlichen Personennahverkehr erreicht werden sollte. Insoweit muss nach Ansicht der BAG SELBSTHILFE sowie ihrer Mitgliedsverbände auch das PBefG dringend nachgebessert werden, insbesondere müssen digitale Angebote bei der Nutzung aller Verkehrsmittel – auch für blinde und sehbehinderte Menschen – barrierefrei sein. Zudem muss auch klar geregelt werden, welche Anforderungen der Barrierefreiheit von Fahrzeugen zu erfüllen sind. In der Konsequenz müssen daher auch technische Regeln greifen, welche z.B. auch Menschen, die im Rollstuhl sitzen, ermöglichen, das Mobilitätsangebot zu nutzen. Erfreulicherweise hat die jetzige Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag auch angekündigt, die Ausnahmereglungen des PBefG bis 2026 gänzlich abzuschaffen.
Die BAG SELBSTHILFE wird sich in der nächsten Legislaturperiode mit Nachdruck für entsprechende Nachbesserungen einsetzen.
Bundesprogramm Barrierefreiheit
Die Bundesregierung hat im Jahr 2021 damit begonnen, ein umfangreiches Programm zur Schaffung von Barrierefreiheit aufzulegen.
Die BAG SELBSTHILFE hat als sachverständige Institution an diesen Vorbereitungen mitgewirkt.
In der kommenden Legislaturperiode wird es darauf ankommen, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass wichtige Anliegen der Verbände behinderter Menschen im Feld der Barrierefreiheit in dem Bundesprogramm mit aufgegriffen werden. Dazu gehören nach Ansicht der BAG SELBSTHILFE sowie ihrer Mitgliedsverbände im Weiteren auch die vollständige Schaffung von Barrierefreiheit in folgenden Lebensbereichen:
- Barrierefreies Bauen und Wohnen,
- Barrierefreie Kommunikation,
- Barrierefreier Kunst- und Kulturbereich,
- Barrierefreier Sport- und Freizeitbereich,
- Barrierefreier Tourismus,
- Barrierefreies Gesundheitswesen.
Leider gibt es Signale aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass das Programm aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht in einem umfassenden Sinn Impulse für die Schaffung von Barrierefreiheit setzen wird.
Die BAG SELBSTHILFE wird sich dafür einsetzen, dass wenigstens die dringlichsten Veränderungsprozesse mit dem Programm von der Politik eingeleitet werden.
Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes
Mit großer Hoffnung für die Verbände behinderter Menschen ist die Ankündigung einer Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verbunden.
Die BAG SELBSTHILFE wird sich ein diesem Reformprozess insbesondere dafür einsetzen, dass künftig auch Private, insbesondere Unternehmen mit infrastruktureller Bedeutung zur Gewährleistung von Barrierefreiheit verpflichtet werden.
Verbesserter Diskriminierungsschutz
Menschen mit Behinderungen erleben nach wie vor eine Vielzahl von Diskriminierungen in ihrem Alltag. Rund ein Viertel aller Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes betreffen erlebte Diskriminierung aufgrund von Behinderungen. Das sind mehr Anfragen als in jedem anderen Bereich. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat in einer von der ADS beauftragten Umfrage Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung gefragt, wo sie sich benachteiligt fühlen. 26 Prozent nannten darauf die Fortbewegung im Alltag, 24 Prozent das Berufsleben und 23 Prozent Versicherungstarife und -prämien. 22 Prozent sahen sich bei der Freizeitgestaltung benachteiligt oder ausgegrenzt, 17 Prozent auf Ämtern oder bei Behörden.

Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
Um behinderten Menschen ein möglichst diskriminierungsfreies Leben gleichberechtigt mit anderen zu ermöglichen, wie es die UN-BRK vorschreibt, fordert die BAG SELBSTHILFE daher:
- Eine umfassende Novellierung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist erforderlich. Darin muss die Versagung angemessener Vorkehrungen, das heißt die Verweigerung von zumutbaren Barrierefrei-Anpassungen im Einzelfall, als Diskriminierung definiert werden. Dies muss auch für die Privatwirtschaft gelten.
- Bei der Definition der angemessenen Vorkehrungen ist an § 7 Abs. 2 BGG anzuknüpfen. Danach sind angemessene Vorkehrungen Maßnahmen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die im Einzelfall geeignet und erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass ein Mensch mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen alle Rechte genießen und ausüben kann.
- Menschen mit Behinderungen werden immer wieder von Leistungen und Angeboten ausgeschlossen - die privaten Anbieter geben als Grund pauschal mögliche Gefahren oder Schäden an, z.B. werden blinde und gehörlose Menschen oft von Fahrgeschäften auf Jahrmärkten und in Freizeitparks ausgeschlossen. § 20 AGG ermöglicht dies. Zwar sind die Vermeidung von Gefahren und die Verhütung von Schäden als sachgerechter Grund für eine unterschiedliche Behandlung durchaus anzuerkennen.
Die BAG SELBSTHILFE fordert jedoch, dass Anbieter von Dienstleistungen bzw. Gütern konkret darlegen und begründen müssen, welche Gefahren sie sehen und welche Vorkehrungen sie zudem getroffen haben, um behinderten Menschen gleichwohl Zugang zu den Leistungen und Angeboten zu ermöglichen, indem sie drohende Gefahren bzw. Schäden auf andere Art abwenden. Überdies darf nicht jede Gefahr den Leistungsausschluss zulasten behinderter Menschen begründen, sondern nur erhebliche Gefahren für Leib und Leben. Eine unabhängige Stelle, vergleichbar der durch § 13 Abs. 3 BGG eingerichteten Überwachungsstelle, könnte die Überwachung und Durchsetzung dieser Regelungen unterstützen.
Ziel muss sein, dass Menschen mit Behinderung das Recht haben, genauso wie Menschen ohne Behinderung selbst zu entscheiden, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen und welche Risiken sie dafür ggf. eingehen. Ein pauschaler Leistungsausschluss mit Verweis auf drohende Gefahren sollte nicht (mehr) zulässig sein. Allenfalls versicherungsmathematisch fundierte Risiken, die die privaten Anbieter zuvor erhoben und dargelegt haben müssen, sollten berücksichtigt werden dürfen. Zur wirksamen Durchsetzung der Schutzrechte ist ein Verbandsklagerecht im AGG zu verankern. Antidiskriminierungsverbände und Verbände im Sinne von § 14 BGG sollten ein echtes Verbandsklagerecht sowie die Möglichkeit erhalten, AGG-Ansprüche von Betroffenen im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen. Mit der Verbandsklage und der Prozessstandschaft sollten nicht nur Diskriminierungstatbestände gerügt, sondern auch die Pflicht zur Barrierefreiheit sowie zur Schaffung angemessener Vorkehrungen durchgesetzt werden können.
Insoweit müssen nach dem AGG sowohl eine Unterlassungsklage, eine Klage auf Vornahme einer bestimmten Leistung/eines Tuns als auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft sein. Rechtsmittelfonds, wie sie aus dem Natur- und Umweltschutzbereich bekannt sind, leisten einen wesentlichen Beitrag, damit die Verbandsklage in der Praxis zum Einsatz kommen kann und die Verbände behinderter Menschen dieses öffentliche Interesse tatsächlich wahrnehmen können.
- Zudem ist das AGG als Verbraucherschutzgesetz anzuerkennen und in § 2 Unterlassungsklagegesetz (UKlG) aufzunehmen. Das ermöglicht Verbandsklagen nach UKlG und stärkt den Verbraucherschutz.
- Die Klagefristen nach dem AGG sind überdies zu verlängern. Bislang muss nach § 15 Abs. 4 AGG ein Anspruch auf Entschädigung bzw. Schadensersatz wegen Verstößen des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot binnen einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Diese Frist ist deutlich zu kurz. Sie verhindert wirksamen gerichtlichen Schutz gegen Benachteiligungen.
- Je stärker die erlebte Diskriminierung und damit einhergehende Persönlichkeitsverletzung, desto länger ist die Zeit, die Geschädigte für die Verarbeitung brauchen, bevor sie klagen können. Hier dürfen kurze Fristen nicht den Rechtsschutz verkürzen. Die BAG SELBSTHILFE fordert daher eine Erweiterung der Klagefrist von 2 auf mindestens 6 Monate.
- Neben der Stärkung des gerichtlichen Rechtsschutzes muss bei Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot aufgrund von Behinderung nach dem AGG eine niedrigschwellige Beschwerdemöglichkeit geschaffen werden. Dazu ist die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle nach § 16 BGG zu erweitern. Diese Schlichtungsstelle verfügt bereits über das Knowhow in Bezug auf Fragen der Barrierefreiheit und der angemessenen Vorkehrungen.
Förderung der Partizipation gem. § 19 BGG
Die Neufassung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) enthält in § 19 eine Regelung zur Förderung der Partizipation, durch die Maßnahmen zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten finanziell gefördert werden. Der sog. Partizipationsfonds ist ein wichtiges Element zur Stärkung der Interessenvertretung behinderter Menschen geworden. Ein Förderbeirat, in dem auch die BAG SELBSTHILFE mitwirkt, diskutiert die entsprechend eingegangenen Anträge und gibt hierzu Förderempfehlungen ab. Erfreulich ist, dass die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag u.a. auch eine Ausweitung des Partizipationsfonds angekündigt hat.
Die BAG SELBSTHILFE wird die Weiterentwicklung des Fonds weiterhin konstruktiv begleiten.
Begleitung von gesetzgeberischen Vorhaben
Das gesetzgeberische Geschehen verdichtete sich im Jahr 2021 zum Ende der Legislaturperiode erheblich. Mit dem Kinder- und Jugendhilfestärkungssetz, dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, dem Teilhabestärkungsgesetz und der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts kam es im Bereich der Sozial- und Behindertenpolitik zu einer massiven gesetzgebenden Offensive, die von der BAG SELBSTHILFE begleitet wurde. Es konnten dabei einzelne Erfolge erzielt werden: die Festlegung der Kinder- und Jugendhilfe auf ein inklusives Hilfssystem für alle Kinder und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen oder die Klärung der Kostenerstattung für die Assistenz im Krankenhaus.
Es mussten aber auch Rückschläge hingenommen werden. So gelang es nicht, eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben durchzusetzen.
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 hat die BAG SELBSTHILFE daher sehr intensiv auf die Notwendigkeit konkreter Verbesserungen im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben hingewiesen. Es darf daher als politischer Erfolg gewertet werden, dass die Weiterentwicklung der Ausgleichsabgabe neu im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vorgesehen ist.
Ganz generell enthält der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung eine ganze Reihe an Vorhaben, für die sich die BAG SELBSTHILFE seit langem im Bereich der Behindertenpolitik einsetzt. Daher steht nun eine arbeitsreiche Legislaturperiode an, in der die Schaffung von Barrierefreiheit, die Verhinderung von Diskriminierungen und die Stärkung der Teilhabe in konkreten Gesetzen verankert werden muss.
Auch wird die BAG SELBSTHILFE im Rahmen der laufenden Legislaturperiode das von der Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigte Reformvorhaben des SGB VIII mit dem Ziel der Umsetzung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe intensiv mit begleiten. Mit dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) am 10.06.2021 sind bereits die Weichen für eine inklusive Lösung gestellt worden (1. Stufe der SGB VIII-Reform). Die Norm des § 107 SGB VIII legt die gesetzlichen Grundlagen für die Umsetzungsbegleitung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe fest. Ziel dieser erneuten Reformbestrebungen ist die Zusammenführung der Zuständigkeiten für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe bis zum 01.01.2028 mit Inkrafttreten eines neuen Gesetzes.
Deutscher Behindertenrat (DBR)
Das Jahr 2021 gestaltete sich für BAG SELBSTHILFE gerade im Bereich der Behindertenpolitik als arbeitsreich. Neben der regulären Verbandsarbeit führte die BAG SELBSTHILFE nämlich in diesem Jahr turnusmäßig das Sekretariat des Deutschen Behindertenrates (DBR). Im Zentrum der Sekretariatsarbeit sind die Erarbeitung umfangreicher Förderpapiere für das Aktionsbündnis des Deutschen Behindertenrates zur Bundestagswahl 2021 sowie die Organisation zahlreicher politischer Gespräche im Vorfeld der Wahl.
Mit der Staffelstab-Übergabe am Welttag der Menschen mit Behinderung (03.12.2021) hatte die BAG SELBSTHILFE e.V. den Vorsitz des Deutschen Behindertenrates und die Koordinierung der gemeinsamen Arbeit im Aktionsbündnis turnusgemäß an den Sozialverband Deutschland (SOVD) abgegeben.
Auch im Jahr 2022 arbeitet die BAG SELBSTHILFE aber intensiv im Deutschen Behindertenrat mit und hat dort u. a. die Federführung für die Thematik der Auskünfte über die Barrierefreiheit von Arztpraxen im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft (AG) „barrierefreie Arztpraxen“ übernommen. Ferner wurde von Verbändeseite an den DBR im Juni 2022 der Vorschlag herangetragen, eine Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreier Tourismus“ beim DBR zu bilden, nachdem sich der am 09.09.1999 gegründete Verein „Tourismus für alle Deutschland e.V.- Natko“ im Juni 2019 wegen drohender Insolvenz aufgelöst hatte. Diese neue AG soll zukünftig als zentrale Stelle für den Erfahrungsaustausch sowie als sachkundige Ansprechpartnerin für Parlament, Bundesregierung sowie die Tourismuswirtschaft mit ihren Verbänden fungieren. Sie wird voraussichtlich im September 2022 ihre Arbeit aufnehmen.“
BAR und Sachverständigenrat der Behindertenverbände
Die BAG SELBSTHILFE wirkt als maßgeblicher Behindertenverband im Sachverständigenrat der Behindertenverbände der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) in Frankfurt mit. Die Aufgabe dieses Sachverständigenrates – ebenso zweiten Sachverständigenrates bei der BAR, dem der Ärzteschaft – besteht darin, die BAR in Fragen der Eingliederung der Menschen mit Behinderungen und bei der Koordination zu beraten und zu unterstützen. Da der BAR nicht zuletzt durch das Bundesteilhabegesetz eine bedeutsame Rolle zugewiesen worden ist und die wesentlichen Akteure im Bereich der Sozialversicherungsträger, Sozialhilfeträger, Integrationsämter etc. vereint, ist die Mitwirkung und Einbringung von Stellungnahmen, Hinweisen, Kritik von Seiten der Verbände von großer Bedeutung im Hinblick auf die Interessen von Menschen mit Behinderungen und chronischer Erkrankung. Der Sachverständigenrat tagt in der Regel zweimal pro Jahr.
Inklusionsbeirat
Die BAG SELBSTHILFE wirkt auch an den Sitzungen des Inklusionsbeirates mit, der Teil der beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen angesiedelten Staatlichen Koordinierungsstelle nach Art. 33 UN-BRK ist.
Reform der Rehabilitation im Bereich der Deutschen Rentenversicherung
Der Gesetzgeber hat die Deutsche Rentenversicherung verpflichtet, die Regelungen zur Zielsetzung von Rehabilitationseinrichtungen, zur Zuweisung von Einrichtungen gegenüber den Versicherten, zur Vergütung der Rehabilitation und zur Qualitätsberichterstattung neu zu regeln.
Die BAG SELBSTHILFE hat im Jahr 2021 hier intensiv im sogenannten Beratergremium der Deutschen Rentenversicherung zur Erarbeitung der Regelungen mitgewirkt und dabei die Interessen der Rehabilitationskundin und Rehabilitationskunde vertreten. Der Schwerpunkt der Interessenvertretung wird im Rahmen dieses Reformprozesses vor allem darauf hinweisen, das die Rechte der Versicherten bei der Auswahl der Rehabilitationseinrichtungen gestärkt werden und dass das Rehabilitationsangebot der Deutschen Rentenversicherung künftig die Bedarfe von Menschen mit komplexen Rehabilitationsbedarf besser abdeckt.
Gesundheitspolitik
Die BAG SELBSTHILFE vertritt die Interessen chronisch kranker und behinderter Menschen in zahlreichen gesundheitspolitischen Gesetzgebungsprozessen und in einer Vielzahl fachpolitischer Gremien. Ein zentrales Anliegen der politischen Arbeit ist die umfassende Patientenorientierung des Gesundheitswesens.
Einigkeit besteht an sich in der Politik, dass die PatientInnen im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik stehen sollen. Dennoch ist zu konstatieren, dass
- viele medizinische Leistungen einen konkreten Nachweis des Patientennutzens nicht erbringen können,
- andererseits viele PatientInnen medizinisch erforderliche Leistungen selbst bezahlen oder nur mit Zu- oder Aufzahlungen erhalten.
- viele PatientInnen keinen oder unzureichenden Zugang zu medizinischen Leistungen haben, da beispielsweise Arztpraxen nicht barrierefrei ausgestaltet sind,
- die Sicht der PatientInnen im Behandlungsgeschehen vielfach nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt wird,
- die Strukturen der gesundheitlichen Versorgung und die Qualifikationen der BehandlerInnen für die PatientInnen zumeist intransparent sind,
- PatientIinnen zunehmend Schwierigkeiten haben, zeitnah Leistungen zu bekommen, auf die sie einen Anspruch haben. So finden inzwischen manche PatientInnen keinen Hausarzt mehr, der Zugang zu Fachärzten dauert oft mehr als ein Vierteljahr.
- die Patientenbeteiligung in den Gremien des Gesundheitswesens von den Patientenorganisationen weitgehend mit den Mitteln ihrer Mitglieder finanziert werden muss, obwohl die Einbindung von Betroffenenkompetenz in die Entscheidungsstrukturen ein essentieller Baustein für die Patientenorientierung des Gesundheitswesens ist.

Auf den Weg zu einem patientenorientierten Gesundheitswesen
Auch im vergangenen Jahr hat sich die BAG SELBSTHILFE daher mit Nachdruck für eine echte Patientenorientierung des Gesundheitswesens eingesetzt. Hierzu zählen die Forderungen,
- dass möglichst alle medizinischen Leistungen so ausgestaltet werden, dass sie den PatientInnen nicht schaden, sondern tatsächlich auch nutzen. Die bestehenden Nutzenbewertungsverfahren müssen daher weiterentwickelt werden.
- dass sichergestellt ist, dass PatientInnen die erforderlichen medizinischen Leistungen aufzahlungsfrei erhalten. Insbesondere muss durch gesetzliche Maßnahmen sichergestellt werden, dass EBM-Leistungen nicht geIGELt werden können; die derzeitige gesetzliche Regelung ist noch zu vage und kann für Umgehungen genutzt werden. Beispiele wie die Knochendichtemessung oder das Hautkrebsscreening zeigen, dass den PatientInnen oft gesetzliche Leistungen vorenthalten werden bzw. dass sie zu Unrecht als Selbstzahler zur Kasse gebeten werden.
- dass über eine Stärkung der individuellen Patientenrechte im Arzt-Patienten-Verhältnis sichergestellt wird, dass die Patientensicherheit auch bei allen Behandlungsentscheidungen hinreichend berücksichtigt wird.
- dass ein umfassender Aktionsplan aufgestellt wird, wie die in der UN-BRK geforderte Barrierefreiheit schrittweise ins Gesundheitssystem implementiert wird.
- dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen auch dahingehend vorangetrieben wird, dass das Leistungsgeschehen im Gesundheitswesen für alle PatientInnen transparenter wird.
- dass die maßgeblichen Patientenorganisationen nach § 140f SGB V sowohl in finanzieller als auch in personeller und organisatorischer Hinsicht eine strukturelle Stärkung erfahren, damit diese auf Augenhöhe mit den Selbstverwaltungspartnern in den Entscheidungsverfahren zur Ausgestaltung des Gesundheitswesens mitwirken können.
Gesundheitspolitische Gesetzgebungsverfahren
Covid-19 Pandemie
Insgesamt war die Interessenvertretung im Bereich der Gesundheitspolitik im Berichtszeitraum weiterhin sehr von der Bewältigung der Covid-19 Pandemie geprägt.
Zu Beginn des Impfstarts Anfang 2021 standen die gesetzlichen Grundlagen und die darauf fußenden zahlreichen Überarbeitungen der CoronaImpfV im Mittelpunkt der Diskussionen- oft mit einer Frist zur Stellungnahme von nur wenigen Tagen. Dabei waren in der ersten Fassung der Verordnung nur wenige chronische Erkrankungen gelistet, pflegende Angehörige von Menschen unter 80 und Menschen mit körperlichen Behinderungen waren gar nicht erfasst; die Möglichkeit von Einzelfallentscheidungen fehlte ebenfalls. Hier konnten nach und nach in den verschiedenen Fassungen Verbesserungen für Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen und ihren Angehörigen erreicht werden: So wurde die Möglichkeit von Einzelfallentscheidungen geschaffen, mehrere chronische Erkrankungen zusätzlich gelistet oder höher priorisiert, die besondere Lebenssituation von Menschen mit Behinderung als Grund für ein erhöhtes Ansteckungsrisiko anerkannt und die Möglichkeit der Impfung von pflegenden Kontaktpersonen bei Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen oder einem bestimmten Lebensalter geschaffen. Auch wenn leider nicht alle Punkte der BAG SELBSTHILFE aufgenommen wurden- es fehlte etwa eine Lösung für die Impfung von Eltern chronisch kranker Kinder ohne Pflegestufe -, so konnten doch viele Verbesserungen in der Impfstrategie erreicht werden. Vor diesem Hintergrund konnte die BAG SELBSTHILFE erreichen, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen möglichst früh eine Impfung erhalten konnten; eine hilfreiche Ergänzung dieser formalen Verbesserungen war dabei auch die Einbeziehung der Vertragsärzte in die Impfkampagne, die zu oft zu pragmatischen Lösungen für Regelungslücken führte.
Auch in die Diskussion zur Einführung einer einrichtungsbezogenen und einer allgemeinen Impfpflicht hat sich die BAG SELBSTHILFE in Stellungnahmen, Anschreiben und Anhörungen intensiv eingebracht und sich hier sowohl für die einrichtungsbezogenen als auch für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren eingesetzt. Denn gerade Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen sind in besonderem Maße auf die Solidarität der anderen angewiesen; Menschen mit Krebserkrankungen oder unter immunsuppressiver Therapie können sich nicht in dem Maße wie immungesunde Menschen durch eine Impfung schützen, da bei ihnen zum Teil die Impfung nicht oder nur abgeschwächt wirkt. Obwohl die Impfung die Infektion nicht vollständig verhindern kann, so setzt sie doch das Risiko einer Infektion und einer Weitergabe herab – wie auch jüngste Studien zeigen. Hinzu kommt, dass eine allgemeine Impfpflicht das Risiko einer Überlastung des Gesundheitssystems verringert, da sich durch die Impfung zumeist schwerere Verläufe verhindern lassen Vor diesem Hintergrund hat sie es begrüßt, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht verabschiedet wurde und gleichzeitig bedauert, dass bzgl. einer allgemeinen Impfpflicht keine Einigung zwischen den Parteien gefunden werden konnte.
Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Triage-Situation bei Menschen mit Behinderungen, zu der die BAG SELBSTHILFE zu einer Stellungnahme angefragt worden war, hat die Bundesregierung ein Gesetzgebungsverfahren einleiten müssen, welches Regelungen gegen eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen einer Triage-Situation festlegt. Hier hat sie durch Pressemitteilungen, die Teilnahme an Fachgesprächen mit dem BMG und einer Anhörung dafür eingesetzt, dass die Regelungen so gefasst werden, dass eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen aufgrund von Stereotypisierungen von Ärzten möglichst ausgeschlossen ist.
Von großer Bedeutung zur Verhinderung der Ausbreitung der Pandemie bei gleichzeitiger Sicherung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung ist ferner die Teststrategie der Bundesregierung. Die BAG SELBSTHILFE hat zu verschiedenen Fortschreibungen der TestV Stellung genommen und sich für die Belange der Betroffenen und ihrer Angehörigen eingesetzt und war zumindest für das Frühjahr hinsichtlich einer Verlängerung erfolgreich; sie konnte jedoch nicht verhindern, dass im Sommer nun die allgemeinen durchgehend kostenlosen Bürgertests von einem komplizierteren System abgelöst wurden, das bedauerlicherweise in vielen Fällen eine Kostenbeteiligung – auch für Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen - vorsieht. Sie wird sich jedoch weiterhin für umfassende kostenfreie Testmöglichkeiten (auch in Form von PCR-Tests) für Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen einsetzen, damit deren Teilhabe am öffentlichen Leben gesichert wird.
Gleiches gilt auch für die Diskussionen zu Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung, zuletzt für die sog. Herbststrategie für 2022; auch hier setzt sich die BAG SELBSTHILFE für allgemeine bundesweit geltende Maskenpflichten in Innenräumen außerhalb der Wohnung, umfangreiche Homeoffice-Regelungen und Lüftungsanlagen in Schulen ein, um die gefahrlose Teilhabe dieser Personengruppe am öffentlichen Leben zu sichern. Sie hat am Stellungnahmeverfahren sowohl hinsichtlich des Referenten- als auch hinsichtlich des Gesetzentwurfs des sog. Covid-19SchG teilgenommen und hier die Positionen der BAG SELBSTHILFE eingebracht.
Auch die Verbesserung der Versorgung und Forschung für das Long-Covid-Syndrom war ein Anliegen der BAG SELBSTHILFE, das sie in die Prozesse eingebracht hat. Hier wird es in Zukunft darauf ankommen, die Behandlung entlang der Leitlinie und die Erstattungsfähigkeit von Therapien sicherzustellen, ggf. durch Anträge beim Gemeinsamen Bundesausschuss.
Schließlich hat sich die BAG SELBSTHILFE auch dafür eingesetzt, dass Therapien gegen Covid-19 einfacher für die PatientInnen verfügbar sind. Sobald der Bund Paxlovid und Antikörpertherapien eingekauft hatte und diese an bestimmten Antikörperzentren verfügbar waren, hat sie die Verbände darüber informiert, welche Antikörperzentren nach dem RKI hierfür zuständig waren. Sie hat ihnen ferner angeraten, mit diesen Zentren ein Verfahren zu besprechen, um in Vorhinein eine schnelle Verfügbarkeit der Therapien sicherzustellen, da diese in den ersten Tagen eingeleitet werden sollen. Politisch hat sie sich für eine dauerhafte Verlängerung der monoklonale Antikörperverordnung eingesetzt und gleichzeitig die von der Bundesregierung eingeleitete bessere Distribution von Paxlovid über die Vertragsärzte begrüßt.
Letzten Endes hat sie sich auch für eine bessere und zielgerichtetere Information von PatientInnen eingesetzt. Denn gerade Menschen mit chronischen Erkrankungen benötigen nicht nur allgemeine Informationen zur Covid-19 Erkrankung, sondern spezifisch auf ihre Erkrankung zugeschnittene. So ist etwa Paxlovid bei vielen Menschen mit chronischen Erkrankungen kontraindiziert, andere Therapien sind hier vorzugswürdig.
Maßnahmen gegen den Mangel an Pflegekräften
Derzeit verschärft sich der Mangel an Pflegekräften sowohl im Krankenhaus als auch in der Langzeitpflege weiter. Dies hat Auswirkungen sowohl auf den Zugang zu notwendigen Operationen wie auch die Patientensicherheit; deswegen hat sich die BAG SELBSTHILFE bereits seit Jahren für ein Mehr an Pflegekräften engagiert, auch in der Konzertierten Aktion Pflege. Im Rahmen ihrer Stellungnahmen zu der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung hat sie immer wieder darauf hingewiesen, dass hierdurch die Gefahr einer Spirale nach unten besteht, also dass sich Krankenhäuser in ihrer Personalplanung an diesen Untergrenzen orientieren, trotzdem diese nur das absolute Minimum markieren sollen. Als Ergänzung hatte sie vorgeschlagen die PPR 2.0 übergangsweise zu (re-)aktivieren, um so ein Personalbemessungsinstrument zu haben, welches den Bedarf und nicht die Gefährdungsgrenze zumindest ansatzweise abzubilden. Die Bundesregierung hat diese Idee, die auch von anderen befürwortet wurde, jüngst aufgegriffen und im KHPflEG entsprechende Regelungen geschaffen. Die BAG SELBSTHILFE hat sich in dieses Gesetzgebungsverfahren im Rahmen einer Stellungnahme und der Teilnahme an der Anhörung eingebracht.
Auch die Erörterungen zum Pflegebonus wurden von ihr durch entsprechende Stellungnahmen begleitet.
Ausgestaltung der künftigen Rolle der Unabhängigen Patientenberatung (UPD)
Daneben hat sich die BAG SELBSTHILFE intensiv politisch in die Diskussionen zur Ausgestaltung der UPD eingebracht und hat hier Vorschläge für die Beteiligung aller Patientenorganisationen an einer etwaigen Stiftung erarbeitet. Hier wird sie sich auch in einem zukünftigen Gesetzgebungsverfahren an der Klärung der Rolle der UPD beteiligen.
Interoperabilität und Ausgestaltung der der digitalen Pflegeanwendungen
Interoperabilität ist nach wie vor eines der zentralen Themen der Digitalisierung des Gesundheitswesens, da viele System nicht mit einander zu vernetzen sind. Hier soll nunmehr durch eine Koordinierungsstelle ein Entscheidungsgremium geschaffen werden, welches Standards für die Interoperabilität von System vorgeben soll.
Auch in die Diskussion um die digitalen Pflegeanwendungen hat sich die BAG SELBSTHILFE im Rahmen des Verordnungsstellungnahmeverfahrens eingebracht. Es gibt in diesem Fall die Besonderheit, dass der von der Pflegekasse zu erstattende Anteil gesetzlich auf 50 € begrenzt ist und gleichzeitig dadurch die Unterstützungsleistungen durch Pflegedienste dadurch abgegolten werden sollen. Hier hatte sich die BAG SELBSTHILFE dafür stark gemacht, dass derartige Geltendmachungen genauer kontrolliert werden sollten, da andernfalls zu befürchten ist, dass entsprechende Leistungen geltend gemacht werden, ohne dass eine adäquate Betreuung der Betroffenen erfolgt. Schließlich hat sich auch die Barrierefreiheit der DiPAs angemahnt.
Weitere Diskussionen
Auch in die Frage der Ausgestaltung der Berufe der Physiotherapie, der Implantate-Betriebsverordnung, der Plasmaversorgung und der Information zur Gruppennützigen Forschung hat sich die BAG SELBSTHILFE eingebracht.
Schließlich stimmt die BAG SELBSTHILFE die Positionierung des Deutschen Behinderungsrates zu den Fortschreibungen des Hilfsmittelverzeichnisses und des Präqualifizierungsverfahrens ab, erstellt die Stellungnahmen und nimmt an entsprechenden Gesprächen mit dem GKV-Spitzenverband teil.
Koordination der Patientenbeteiligung
Die Koordinierung der Patientenvertretung war in den vergangenen Monaten nach wie vor von den vielfältigen Herausforderungen der Pandemie geprägt; gleichzeitig musste natürlich auch das „normale“ Benennungsgeschehen und die reguläre inhaltliche Arbeit aufrechterhalten werden.
So ist die Arbeitsweise vieler Gremien gegenüber der Vor-Pandemie-Zeit massiv verändert. An die Stelle von regulären Präsenzsitzungen sind vielfach schriftliche Beschlussfassungen, Videokonferenzen, Telefonkonferenzen, Hybridveranstaltungen mit Präsenz und Telefon und/oder Video-TeilnehmerInnen und getreten. Diese Veränderungen sind jedoch nicht linear entstanden in dem Sinne, dass nach und nach mehr Hygieneanforderungen und mehr Videokonferenzen aufgebaut wurden, sondern die Anforderungen veränderten sich kurzfristig- je nach Infektionszahlen. Auch waren die Anforderungen zwar theoretisch einheitlich, deren Umsetzung in den einzelnen Gremien erfolgte jedoch sehr unterschiedlich.
Es liegt auf der Hand, dass all diese Rahmenbedingungen mit einem enormen zusätzlichen Aufwand insbesondere bei der Beratung der PatientenvertreterInnen, aber auch wegen der ständig neu aufzulegenden Benennungsverfahren verbunden war. Die BAG SELBSTHILFE wird auch weiterhin als Koordinierungsstelle der maßgeblichen Patientenorganisationen nach §140 f SGB V bei der Umsetzung der Patientenbeteiligung fungieren.
Eine Stärkung der personellen, organisatorischen und finanziellen Ressourcen der Patientenvertretung im Gesundheitswesen ist aber dringend erforderlich. Für die Patientenvertretung auf Bundesebene wird ferner gefordert, die Arbeit der SprecherInnen der Patientenvertretung in den Unterausschüssen des Gemeinsamen Bundesausschuss stärker zu fördern und hier für angemessene Aufwandsentschädigung dieser Tätigkeit zu sorgen.
Die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vorgesehene Weiterentwicklung der Patientenbeteiligung wird daher von der BAG SELBSTHILFE maßgeblich mit zu gestalten sein.
Dies gilt auch für die Weiterentwicklung der Patientenbeteiligung auf der Landesebene. So hat sich die BAG SELBSTHILFEF immer wieder im Rahmen von Stellungnahmen für Verbesserungen in der Patientenvertretung auf Landesebene eingesetzt, etwa für ein Antragsrecht auf Landesebene und eine Erweiterung des Aufgabenspektrums einer unterstützenden Stabsstelle auf die Aufgaben der Qualitätssicherung.
Interessenvertretung in der neuen Legislaturperiode
Auch in der neuen Legislaturperiode wird die BAG SELBSTHILFE in allen Gesetzgebungsprozessen, die die Belange ihrer Mitglieder betreffen, schriftliche Stellungnahmen abgeben und die Anhörungen sowie in zentralen Gremien von Ministerien und Selbstverwaltung die Positionen der Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen mit Nachdruck vertreten. Sie wird aber auch die vielfältigen persönlichen Kontakte nutzen und ausbauen, die zu wichtigen Entscheidungsträgern in Politik und Verbänden bestehen, um für die Mitgliedsverbände konkrete Verbesserungen herbeizuführen oder auf den Weg zu bringen. Die Interessenvertretung wird durch eine fortlaufende Öffentlichkeitsarbeit flankiert werden. Hierzu wird insbesondere die Social Media Präsenz und die Nutzung des Internetsauftritts der BAG SELBSTHILFE weiterentwickelt werden.
Pflegepolitik
Der Bereich der Pflegepolitik war in den vergangenen Monaten geprägt von zwei Schwerpunkten:
- Zum einen der bereits angesprochenen Pandemiebekämpfung bzw. den dadurch notwendigen Flexibilisierungen bzw. deren Verlängerungen.
- Zum zweiten die Diskussion über die Reform der Pflegeversicherung, die allgemein erwartet wurde, allerdings bis auf die leider noch rudimentäre Begrenzung der Eigenanteile noch nicht gesetzlich umgesetzt wurde.
In all diese Prozesse hat sich die BAG SELBSTHILFE intensiv eingebracht, oft auch im Schulterschluss mit anderen Verbänden, etwa bzgl. der Umsetzung der Reform der Pflegeversicherung und der Begrenzung der Eigenanteile.
Selbsthilfeförderung
Die Förderung der Selbsthilfe nach § 20h SGB V ist eine wichtige Säule zur Finanzierung der Arbeit von Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen auf der Bundesebene.
Auch in diesem Bereich wird sich die BAG SELBSTHILFE für dringend notwendige Verbesserungen einsetzen.
Zum einen muss das Fördergeschehen wesentlich transparenter für die antragsstellenden Verbände im Bereich der sogenannten Pauschalförderung ausgestaltet werden. Dort gibt es kaum Orientierung hinsichtlich der zu veranschlagenden Förderhöhen.
Auch der diskriminierende Ausschluss der sogenannten Dachverbände von der Pauschalförderung muss beendet werden.
Schließlich muss darauf hingearbeitet werden, dass der Zeitraum zwischen Antragsstellung und Bewilligung erheblich verkürzt wird.
Projektarbeit
Neben der allgemeinen Verbandsarbeit und der vertieften Bearbeitung von Schwerpunktthemen setzt die BAG SELBSTHILFE auch eine Vielzahl von Projekten um. Hierbei werden insbesondere folgende Themen bearbeitet:
- Lernort Selbsthilfe und Selbsthilfe bewegen (Qualifizierungsprogramme für Selbsthilfe-Aktive)
- Teilhabe 4.0 – Aufklärungsmaßnahmen zur Gewährleistung digitaler Barrierefreiheit
- Selbsthilfe der Zukunft – Mitgliedergewinnung und -aktivierung in der Selbsthilfe
- Klimawandel und Selbsthilfearbeit
- KundiG- Qualifizierung von Selbsthilfeaktionen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen
Weiterführende Informationen sind auf der Projektseite der BAG SELBSTHILFE abrufbar.